Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
lachen.
    Kamen saß mit seinen gewaltigen dunkelbraunen Pranken auf den Türstopperknien da und beobachtete mich mit seinem kleinen Ich kenne das alles -Lächeln. Nur war auf seinem Gesicht überhaupt nichts klein. Er ließ mich fertig lachen und fragte mich dann, was so komisch war.
    »Sie erzählen mir, dass ich zu reich bin, um mich umzubringen«, sagte ich.
    »Ich erzähle Ihnen, dass Sie sich Zeit lassen müssen, Edgar, das ist alles. Außerdem werde ich Ihnen einen Vorschlag machen, der einem Großteil meiner praktischen Erfahrung widerspricht. Aber in Ihrem Fall habe ich eine sehr starke Intuition - dieselbe Intuition, aus der heraus ich Ihnen die Puppe mitgebracht habe. Ich schlage vor, dass Sie es mit einer Ortsveränderung versuchen.«
    »Wie bitte?«
    »Alkoholiker in fortgeschrittenem Stadium versuchen es oft mit dieser Therapie. Sie hoffen, dass ein Ortswechsel ihnen einen Neuanfang ermöglichen wird. Eine Wende einleiten.«
    Ich fühlte einen Hauch von irgendwas. Ich will nicht sagen, dass es Hoffnung war, aber es war etwas.
    »Das funktioniert selten«, sagte Kamen. »Die Veteranen bei den Anonymen Alkoholikern, die eine Antwort auf alles haben - das ist ebenso ihr Fluch wie ihr Segen, obwohl nur sehr wenige das erkennen -, sagen gern: ›Wenn man in Boston ein Arschloch ins Flugzeug setzt, steigt in Seattle ein Arschloch aus.‹«
    »Was bedeutet das für mich?«, fragte ich.
    »Ich schlage vor, dass Sie einen möglichst weit entfernten Ort wählen und von Ihrer Vorortresidenz hier in St. Paul dorthin übersiedeln. Wegen Ihrer finanziellen Situation und Ihres Familienstands sind Sie dazu ohne Weiteres in der Lage.«
    »Wie lange?«
    »Mindestens ein Jahr.« Er betrachtete mich mit undurchdringlicher Miene. Sein großes Gesicht war für diesen Ausdruck wie geschaffen; hätte es auf Tutanchamuns Grab geprangt, hätte vielleicht sogar Howard Carter gezaudert. »Und wenn Sie nach diesem Jahr etwas unternehmen, Edgar, dann lassen Sie es um Himmels willen - nein, um ihrer Töchter willen - gut aussehen.«
    Er war tief in das alte Sofa gesunken; jetzt kämpfte er darum, wieder hochzukommen. Ich trat vor, um ihm zu helfen, aber er hob abwehrend die Hand. Endlich schaffte er es, noch lauter schnaufend als sonst auf die Beine zu kommen, und griff nach seinem Aktenkoffer. Diese starrenden Augäpfel mit ihren gelblichen Hornhäuten wurden durch seine sehr dicken Brillengläser noch vergrößert, als er aus seiner Höhe von eins fünfundneunzig auf mich herabsah.
    »Edgar, gibt es irgendetwas, das Sie glücklich macht?«
    Ich beschränkte mich auf die Oberfläche dieser Frage (den einzigen Teil, der ungefährlich zu sein schien) und sagte: »Früher habe ich gezeichnet.«Tatsächlich hatte ich etwas mehr getan als nur zu zeichnen, aber das lag lange zurück. Seit damals waren andere Dinge dazwischengekommen. Heirat, eine Karriere. Die jetzt beide futsch gingen oder futsch waren.
    »Wann?«
    »Als Junge.«
    Ich überlegte, ob ich ihm erzählen sollte, dass ich früher von der Kunstakademie geträumt hatte - sogar gelegentlich ein Buch über Reproduktion erstanden hatte, wenn ich es mir leisten konnte -, ließ es dann aber bleiben. In den letzten dreißig Jahren hatte mein Beitrag zur Weltkunst aus kaum mehr als beim Telefonieren gekritzelten Strichmännchen bestanden, und es war bestimmt mindestens zehn Jahre her, dass ich eins von diesen illustrierten Kunstbüchern gekauft hatte, die man auf dem Kaffeetisch platziert, um Besucher zu beeindrucken.
    »Seither?«
    Ich überlegte, ob ich lügen sollte - ich wollte nicht als unkreatives Arbeitstier erscheinen -, blieb aber bei der Wahrheit. Einarmige sollten möglichst immer die Wahrheit sagen. Das sagt nicht Wireman; das sage ich. »Nein.«
    »Fangen Sie wieder damit an«, riet Kamen mir. »Sie benötigen einen Schutzwall.«
    »Schutzwall«, echote ich verständnislos.
    »Ja, Edgar.« Er wirkte überrascht und leicht enttäuscht, als hätte ich einen sehr einfachen Sachverhalt nicht verstanden. »Einen Schutzwall gegen die Nacht.«
     
     
     
     
     
     
    VI Ungefähr eine Woche später kreuzte Tom Riley wieder bei mir auf. Inzwischen hatte das Laub angefangen, sich bunt zu verfärben, und ich weiß noch, wie das Personal im Wal-Mart Halloween-Plakate aufhängte, als ich dort meine ersten Skizzenblöcke seit dem College kaufte … Teufel, vielleicht seit der Highschool.
    Am deutlichsten erinnere ich mich daran, wie befangen und verlegen Tom bei diesem Besuch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher