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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume
Autoren: Kathryn Smith
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würde mich gar nicht geben. Und allmählich setzte sich in mir der Gedanke fest, dass jemand tatsächlich versuchen könnte, sich diesen Wunsch zu erfüllen …
    Bevor ich geboren wurde, hatte meine Mutter ein Kind verloren. Sie war vor Kummer außer sich, verfiel in Depressionen und schlief daher viel. Offensichtlich war Morpheus so von ihrer Traurigkeit und ihrem hübschen Gesicht gerührt, dass er alles tat, um ihr zu helfen, und schließlich wurden sie ein Liebespaar. Meine Mutter war nicht die erste Sterbliche, die die Aufmerksamkeit des Traumkönigs erregt hatte, doch die erste, die ein Kind gebar, das beiden Welten angehörte – mich. Deshalb betrachteten die Traumwesen mich entweder mit Staunen oder Furcht, und sie hassten meine Mutter dafür, dass sie Morpheus verwundbar gemacht hatte.
    Wahrscheinlich interessiert Sie die Frage, wie es meine Mutter fertigbrachte, im
Traum
von Morpheus schwanger zu werden. Darauf weiß niemand eine Antwort. Morpheus hatte einige Theorien dazu entwickelt. Es musste ihm irgendwie gelungen sein, die Träume meiner Mutter so real wirken zu lassen, dass sie tatsächlich wahr wurden. Sie hatte sich so sehr ein Kind von ihm gewünscht, dass ihr Körper es am Ende Wirklichkeit werden ließ.
    Das gibt einem zu denken, was? Verwunderlich war auch, dass sie mehr als zwei Jahre schlafen konnte. Warum lag ihr Körper regungslos in Toronto im Bett, während sie gleichzeitig im Traumreich als
Desperate Housewife
lebte?
    Und ich? Ich dachte früher immer, ich sei unsterblich, doch mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher. In der Welt der Menschen kann ich durchaus sterben – glaube ich zumindest. Doch im Traumreich müsste man mich schon auslöschen, um mich zu loszuwerden. Und es kann nicht schaden, im Kopf zu behalten, dass nicht nur mein Vater dazu in der Lage wäre.
    Ich wusste nicht, ob mich wirklich jemand umbringen wollte. Wenn es sein musste, würde ich mir eben einen Tadel bei der Obersten Wächterin der Nachtmahre abholen und dabei wahrscheinlich, im Gegensatz zu der leidenden Amanda, ziemlich glimpflich davonkommen.
    Ich schlug die erste Akte auf, doch in dem Moment klingelte das Telefon. Die meisten Anrufe für mich wurden von Bonnie entgegengenommen, und nur eine Handvoll Leute kannte meine Durchwahl. Noah war einer davon, und noch bevor ich den Hörer abnahm und seine tiefe Stimme hörte, wusste ich, dass er es war.
    »Hey, Doc.« In meinem Bauch flatterten tausend Schmetterlinge. Aber auch mein schlechtes Gewissen meldete sich, weil ich Noah nichts von meiner Vorladung bei der Wächterin erzählt hatte. Ich wollte ihn nicht auch noch mit meinen Problemen belasten.
    »Hey, Noah. Was ist denn?« Ob er wohl merkte, wie matt meine Stimme klang?
    »Ich bin bei Amanda im Krankenhaus.«
    »Wie geht’s ihr?«
    »Gut.« Seine angespannte Stimme verriet mir, dass das nicht stimmte. »Wir haben uns gefragt, ob du nach der Arbeit nicht vorbeikommen könntest?«
    Wir
haben uns gefragt. Ich zwang mich zu einem Lächeln, auch wenn niemand da war, den ich damit täuschen konnte. Ich hätte nein sagen sollen. »Sicher. Ich wäre dann so gegen halb fünf da, okay?«
    »Prima.« Ich hörte Erleichterung in seiner Stimme. Das gab mir wieder ein wenig Auftrieb – aber wirklich nur ein wenig. »Also bis dann.«
    Ich legte auf. Wir hatten noch nicht das Stadium in einer Beziehung erreicht, in dem man sich am Ende eines Telefongesprächs mit Sätzen wie »Ich liebe dich« verabschiedete, und das war auch in Ordnung. Ich wusste nicht, ob ich dazu schon bereit war.
    Ich versuchte meine wieder aufkommende Eifersucht zu kontrollieren. Es war doch eigentlich nichts dabei und absolut verständlich, dass er von Amanda und sich selbst als »wir« sprach. Schließlich waren sie vor langer Zeit einmal verheiratet gewesen. Eine solche Verbundenheit löste sich nicht in Luft auf, selbst wenn die Ehe zerbrochen war.
    Es war gemein von mir, dass ich Amanda, die so etwas Schreckliches durchgemacht hatte, als Gefahr für unsere Beziehung betrachtete. Ich war gemein, kleinlich und neidisch auf die Verbindung, die nach wie vor zwischen den beiden bestand. Ich war verletzt, weil Noah alles stehen- und liegenließ, um seiner Exfrau zu Hilfe zu eilen.
    Doch es waren nicht nur meine elenden Selbstzweifel, die an mir nagten. Im Grunde machte ich mir keine Sorgen, dass Noah mich sitzenlassen und zu seiner Frau zurückrennen würde. Aber ich wollte die einzige Frau sein, die er beschützte.
    Ich wusste nicht
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