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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume
Autoren: Kathryn Smith
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durfte ich mich wohl noch nicht einmal zur Wehr setzen. Ich wand mich aus Vereks Griff, denn ich fühlte mich in seinem Arm wohler, als mir lieb war. Außerdem sollte er nicht denken, dass er mich immer, wenn er wollte, einfach festhalten konnte. Es war noch nicht allzu lange her, dass er mich als feindlichen Eindringling betrachtet und mich im Kampf zu besiegen versucht hatte. Unter normalen Umständen hätte er mich eigentlich zermalmen können, aber nicht hier und vor allem nicht, wenn ich erst einmal richtig loslegte.
    Es war schon komisch – wenn auch nicht besonders witzig –, aber dreizehn Jahre zuvor hatte ich der Traumwelt den Rücken gekehrt und mir geschworen, nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen. Und jetzt versuchte ich, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Ich musste mich nämlich vor denjenigen schützen, die mich benutzen wollten, um meinem Vater zu schaden. Dem König. Gab es nicht immer jemanden, der den König stürzen, ihn loswerden oder sich an ihm rächen wollte? So hieß es doch in den ganzen Geschichten. Und alle fanden ihren Ursprung im Traumreich.
    Ich musste es versuchen, mir blieb gar nichts anderes übrig. Widerwillig hielt ich dem Nebel meine Hand so hin, wie ich es bei Verek gesehen hatte. Kleine Wirbel kamen näher und legten sich tastend um meine Finger. Sie fühlten sich an wie Seide. Das war seltsam, denn normalerweise war der Nebel scharf und …
    »Verdammtes Biest!«, brüllte ich. »Das Miststück hat mich gebissen!« So viel, wie ich in dieser Nacht fluchte, war es ein Wunder, dass der Nebel nicht schamrot anlief.
    Der Biss in die fleischige Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger brannte schlimmer, als wenn ich mich an Papier geschnitten hätte. Nur gut, dass ich mich selbst heilen konnte, denn aus früheren Erfahrungen wusste ich, dass die Bisse des Nebels sehr giftig waren.
    »Lass mal sehen.« Ohne meine Erlaubnis abzuwarten, schnappte sich Verek meine Hand und führte sie zum Mund. Bevor ich mich wehren konnte, legte er schon seine Lippen um die Wunde und saugte kräftig daran.
    »Igitt, was machst du denn da?« Ich versuchte, die Hand wegzuziehen, doch er hielt sie fest.
    Endlich ließ er los, spuckte mit angewiderter Miene einen Mundvoll Blut auf den Boden und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Ich habe das Gift rausgeholt.« Er blickte mich scharf an und fügte hinzu: »Gern geschehen übrigens.«
    Ich rieb die Hand am Bein meiner Jeans trocken und schüttelte den Kopf. »Danke, aber das hätte ich auch selbst gekonnt.« Wütend starrte ich in den Nebel. »Du giftiges Mistvieh! Es ist Hochverrat, ein Mitglied der königlichen Familie umbringen zu wollen!«
    »Red nicht so böse mit ihm, sonst wird es nur noch aggressiver«, riet Verek mir. Während er den Nebel wie ein Einzelwesen behandelte, war ich mir nicht sicher, ob wir es mit einem oder mehreren zu tun hatten. »Du musst ihm überlegen werden.«
    »Ich bin ihm schon überlegen!«, rief ich, dem tiefliegenden Nebel zugewandt. »Er ist nur zu blöd, um es zu merken!«
    Da musste Verek lachen. Wenn mir die Hand nicht so weh getan hätte, hätte ich ihm eine gescheuert. Während ich Verwünschungen gegen Männer im Allgemeinen und Verek im Besonderen vor mich hin murmelte, machte ich mich daran, meine Wunde zu heilen.
    Ich war so wütend, dass mir die Ohren klingelten. Aber Moment mal, das lag nicht an der Wut! Ich bin jedenfalls ziemlich sicher, dass sich Wut nicht wie Def Leppard anhört.
    »Was ist denn?«, fragte Verek, der bemerkt hatte, wie ich plötzlich aufhorchte.
    »Mein Handy«, erwiderte ich. Heute Nacht hatte ich mich bewusst ins Traumreich geträumt, anstatt körperlich hinüberzuwechseln wie sonst. Ich erwartete nämlich Noahs Anruf, in dem er mir mitteilen wollte, wann er aus Los Angeles zurückkam. Wahrscheinlich war er das jetzt am Telefon. Mein Herz schlug einen Salto rückwärts, und meine Laune schaltete von Blitz und Donner auf Friede, Freude, Eierkuchen.
    »Ich muss los«, flötete ich und machte mich zum Aufbruch bereit. »Das mit dem Nebel erledige ich nächstes Mal. Versprochen.« Schön. Wem wollte ich hier eigentlich etwas vormachen?
    »Wir sind noch nicht fertig!«, protestierte Verek, während ich schon die Augen schloss und mein Bewusstsein auf die Reise durch die Dimensionen schickte. Es geschah schneller als jemals zuvor – so schnell und ruckartig, dass ich plötzlich benommen und mit weit aufgerissenen Augen inmitten der zerwühlten Decken auf meinem
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