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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark
Autoren: Gabriele Keiser
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eingezäunt tief in seinem
Inneren ruhte, erwachte zu neuem Leben. Genährt durch Bilder von Menschen, die
seine Familie waren, und von einem Kind, das in einsamen Nächten laut vor sich
hinschluchzte. Das war in einem anderen Leben. Um nichts in der Welt hatte er
sich daran erinnern wollen.
    Seine
Gesichtsmuskeln waren angespannt. Seine Kiefer mahlten. Wieso wurde er das
einfach nicht los?
    Hatte
er zu spät erkannt, dass das gewaltsam herbeigeführte Vergessen nichts anderes
war als eine Selbsttäuschung?
    Schon
früh hatte er geahnt, dass er anders war. Anders als andere Kinder. Unruhiger,
nervöser. Und natürlich hatte er gemerkt, dass er überall aneckte, nicht nur zu
Hause. Er hatte sich redlich bemüht, so zu sein, wie er glaubte, dass es von
ihm erwartet wurde. Er hatte eine Rolle gespielt. Und das andere, von dem man
ihm zu verstehen gab, dass es nicht richtig war, versuchte er, tief in sich zu
verschließen. Es wegzudrängen, wenn es die Oberhand zu gewinnen trachtete.
Nicht immer funktionierte diese Strategie, auch, weil dieses andere, von dem
man sagte, es sei das Dunkle, Böse, ihm stets strahlend erschien. Heller,
wirklicher, faszinierender als das sogenannte Gute. Doch das hätte er nie im
Leben irgendjemandem mitgeteilt.
    Wie
lange konnte man eine Rolle spielen? Sich als Schauspieler gebärden? Warum
musste er gerade jetzt daran denken?
    Er war
sich nicht sicher, ob diese aufwühlenden Gedanken und das Gefühl der Einsamkeit
etwas mit Jessica zu tun hatten. Vielleicht war sie nur der berühmte Tropfen,
der genügte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.
    Er sah
ihr ernstes Gesicht vor sich. Reden wollte sie. Über ihre Beziehung. Wie es
weitergehen solle mit ihnen beiden. Wie er sich das alles vorstelle. Wie
lang soll ich noch warten? Wann willst du dich endlich entscheiden? Ich
bin dieses Hinhalten so leid.
    Im
Grunde war es immer dasselbe mit den Weibern. Dieses Gequatsche von Hochzeit, und
wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute glücklich und
zufrieden . Wusste er doch nur zu gut, wie solche Dinge wirklich endeten.
    Unwillkürlich
lachte er auf, als er daran dachte, was aus seiner Wunschvorstellung von einem
entspannenden Vormittag mit erregenden Spielchen geworden war. Reden! Noch
nicht einmal Sex hatten sie gehabt.
    Was
hatte er von Jessica erwartet? Sie war eine Rassefrau, unabhängig, so hatte er
angenommen. Anders als andere Frauen. Ihm ebenbürtig, ein raffiniertes Weib,
das sich nicht getreu nach der Norm verhielt. Das zirpte und flötete und genau
wusste, wie man ihn in Ekstase versetzte. Das bereit war, sich an Grenzen zu
wagen, Neuland zu betreten. Und ihn ansonsten in Ruhe ließ und keine
Forderungen stellte.
    Wie
eine Fremde war sie ihm heute vorgekommen mit ihren kleinbürgerlichen Träumen.
    Ich
stell es mir so schön vor, ein Kind mit dir zu haben.
    Augenblicklich
hatte er zugemacht. Doch sie ließ nicht locker. Ihm war gar nichts anderes
übrig geblieben, als ihr ein Märchen zu erzählen und den Spieß umzudrehen.
Seine Frau bekäme ein Kind, hatte er behauptet. Insofern sei seine Entscheidung
längst gefallen. Worauf ihn Jessica fassungslos angesehen hatte. Dann hatte sie
ihre ganze Wut herausgelassen und getobt. Richtig außer sich war sie.
    »Du
hast mich die ganze Zeit nur benutzt!«, hatte sie ihm entgegengeschleudert.
»Und ich Idiotin habe geglaubt, du meinst es ernst.«
    Ein
Weib, das zur Hyäne wurde. Wieder mal. Er hätte es wissen müssen.
    Er
öffnete das Handschuhfach und suchte nach einer Kopfschmerztablette, fand aber
nur einen leeren Blister.
    Mist!
    Jemand
klopfte an die Scheibe, machte ein Zeichen, er solle das Fenster
herunterlassen. Was will der Depp von mir? Er schüttelte unwillig den
Kopf, sah auf die Uhr. Schon so spät. Längst sollte er auf dem Weg zur Arbeit
sein. Ohne den alten Mann weiter zu beachten, drehte er den Schlüssel im
Zündschloss um, trat aufs Gas und brauste davon.

4
     
    Mit einem spitzbübischen Lächeln
streckte Elias den Fuß aus, und prompt fiel seine kleine Schwester hin. Das
Geschrei, das danach folgte, war markerschütternd.
    »Elias!
Du sollst deine Schwester nicht ärgern!« Dorothee steckte den Kopf zum Zimmer
herein. Sie war gerade beim Essenkochen. Diese Kinder! Sie seufzte. Manchmal
waren sie wie kleine Welpen. Übermütig, man wusste nie, wann es noch Spaß war
und wann alles in Ernst umschlug. Schließlich konnte sie ihre Augen nicht
überall haben.
    »Ich
hab sie nicht geärgert.« Elias verschränkte
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