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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark
Autoren: Gabriele Keiser
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nichts vor.«
    »Ehrlich?«
Dorothees Gesicht hellte sich auf. »Damit würdest du mir einen sehr großen
Gefallen tun.«
    »Aber
gern doch. Und selbstverständlich übernehme ich den Preis für die Karte.«
    Dorothee
spürte, wie sie rot wurde. War es so offensichtlich, dass sie sparen musste?
»Nein, nein«, wehrte sie ab. »Ich bin ja froh, dass jemand mit mir kommt.« Sie
wollte noch etwas hinzufügen, doch dann schüttelte sie den Kopf und lächelte.

5
     
    Sein Mund war wie
ausgetrocknet. Die Anspannung hatte nicht nachgelassen. Der ganze Tag war
stressig gewesen. Er hatte sein Bestes gegeben. Hatte seine Rolle gespielt wie
immer. Doch nun war endlich Feierabend. Er riss die Autotür auf und setzte sich
hinters Steuer.
    Das
elende Luder spukte ihm noch immer im Kopf herum. Er verstand selbst nicht, wie
es Jessica gelungen war, ihn derart durcheinanderzubringen. Sogar während der
Dienstzeit hatte sie angerufen, immer dann, wenn es am allerwenigsten passte.
Mehrmals war er einfach nicht ans Telefon gegangen und als er einmal doch
abnahm, hatte sie ihn übel beschimpft. Die gab überhaupt keine Ruhe mehr. Was
hatte er sich da nur für eine Laus in den Pelz gesetzt? Die Kopfschmerzen
hatten auch nicht nachgelassen. Er fühlte sich beschissen.
    Sein
Wagen war ärgerlich eingeklemmt. Welcher Depp hatte so blöd geparkt? Er machte
sich ganz dünn, um einsteigen zu können. Nach vorsichtigem Rangieren gelang es
ihm, ohne einen Kratzer zu hinterlassen, aus der engen Lücke auszuscheren.
    Der
Nieselregen hatte aufgehört und einem strahlend schönen Frühlingstag Platz
gemacht. Als er über die Kurt-Schumacher-Brücke fuhr, überlegte er, welchen Weg
er nehmen sollte. Nein, er hatte keine Lust, nach Hause zu fahren. Koblenz ließ
er hinter sich und fuhr auf die A61. Mit Genugtuung beobachtete er, wie die
Tachonadel hochschnellte. Ein tolles Gefühl, ein Auto zu beherrschen.
    Kurz
entschlossen bog er bei Plaidt ab. Braune Schilder wiesen auf den Vulkanpark
und andere Sehenswürdigkeiten der Pellenz hin. Damals hatte es die Schilder noch
nicht gegeben. Wie lange war das her?
    Er
jagte den Wagen über eine kurvige Strecke. Geschwindigkeitsbeschränkungen
interessierten ihn nicht. Er trat aufs Gas, schnitt die nächste Kurve.
Plötzlich kam ihm ein Fahrzeug entgegen. Wie aus dem Nichts raste es direkt auf
ihn zu. In letzter Sekunde gelang es ihm, gegenzulenken und in einem
halsbrecherischen Manöver zurück auf seine Spur zu gelangen. Der andere fuhr
mit wildem Hupen haarscharf an ihm vorbei.
    Das war
knapp gewesen. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sein Herz pochte wild. Er
musste vorsichtiger sein. Schließlich war er nicht lebensmüde. Aber wo wollte
er überhaupt hin?
    Da war
wieder das ferne Echo in seinem Kopf. Ein Echo, dessen Widerhall er sporadisch
vernahm, aber jedes Mal sofort wieder zurückzudrängen versuchte. Weil er
wusste, es war gefährlich, sich den Fantasien hinzugeben, die dadurch ausgelöst
wurden. Dennoch war es unendlich reizvoll, sich gewisse Dinge vorzustellen und
sich wegtragen zu lassen in eine andere Welt.
    Er
durchquerte Dörfer und Weiler und zerrissene, zerfurchte Landschaft. An den
Hängen entlang der Vulkankegel wuchs sattgrünes Gras, das ab und an
unterbrochen wurde von gelben Rapsinseln. Dazwischen immer wieder bizarre
Gesteinsformationen und offene Erde wie lang gezogene, nicht richtig verheilte
Wunden. Vulkangebiet, vom Bims-, Tuff- und Basaltabbau gezeichnet. Ursprünglich
entstanden in einer unruhigen Zeit, als die Erde Feuer spie. Die Touristen
schätzten die Landschaft, besuchten den Kaltwasser-Geysir in Andernach und das Römerbergwerk
Meurin, aber das interessierte ihn nicht. Momentan sah er nur seine innere
Zerrissenheit gespiegelt.
    Ziellos
war er durch die Gegend gefahren. Wo war er überhaupt? Ohne zu überlegen bog er
irgendwo ab. Eine überschaubare Ansammlung von Häusern, alt neben neu, die
Kirche mitten drin. Gepflegte Vorgärten mit lila und weißen Fliederbüschen,
üppig blühenden Stiefmütterchen und Gartenzwergen. Vor einem Haus flatterte die
Deutschlandfahne.
    Er
drosselte die Geschwindigkeit und richtete seine Antennen aus. Wie ein
Raubtier, das Witterung aufgenommen hat. Mit Tunnelblick auf der Suche nach
Beute. Das Adrenalin pulsierte durch seine Adern und schärfte seine Sinne. Er
spürte Kraft in sich. Fühlte sich als schlauer Fuchs, der es den anderen zeigen
würde.
    Da
waren Kinder. Sein Puls erhöhte sich noch um einige Schläge. Nein, das waren zu
viele.
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