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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark
Autoren: Gabriele Keiser
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Hinterhuber. »Der Mann hat die
Hälfte seines Lebens fast ununterbrochen im Gefängnis gesessen, Therapien hat
er zwar angefangen, aber nach kurzer Zeit immer wieder abgebrochen. Das heißt,
da hat überhaupt keine Aufarbeitung stattgefunden. Folglich ist er in keiner
Weise auf ein Leben in Freiheit vorbereitet.«
    In der
JVA war der Tagesablauf geregelt, den Insassen wurde vorgeschrieben, was zu tun
und was zu lassen war, es gab eine klare Struktur. In dem Moment, in dem ein
Täter freikam, musste er seinen Tagesablauf selbst regeln, er wurde mit
Problemen und Versuchungen konfrontiert, vor denen er während seines
Gefängnisaufenthaltes abgeschirmt war. Das war schon manchem zum Verhängnis
geworden.
    Franca
hob den Kopf und betrachtete Roger Brock, der düster vor sich hinstarrte. Im
letzten Jahr war er stark gealtert, markante Falten gruben sich um Augen und
Mund. Sie hatte mehrmals versucht, mit dem jüngeren Kollegen über den damaligen
Vorfall zu reden, der ihn derart aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, doch er
blockte jedes Mal ab.
    »Haben
Sie irgendwelche brauchbaren Vorschläge?«, fragte Osterkorn in die Runde, wobei
er einen Blick auf Brock vermied.
    »Sowohl
offene als auch verdeckte Observation ist schwierig zu handhaben, ganz einfach,
weil uns die Leute fehlen«, merkte Hinterhuber an. »Wo sollen wir denn bei
unserer dünnen Personaldecke die zusätzlichen Beamten hernehmen?«
    Für
eine einzige Rund-um-die-Uhr-Überwachung waren ungefähr 25 Beamte notwendig.
Praktisch hieß das, dass auf die einzelnen Bediensteten trotz Überbelastung
enorme Mehrarbeit zukommen würde. »Wir können doch schon so manchmal nicht mehr
sein als Kontrolleure, die lediglich ein paar Stichproben machen«, fuhr
Hinterhuber fort.
    Franca
war gespannt, was Osterkorn zur Lösung dieses Problems vorschlagen würde, denn
der Aufwand, den Lomacks Freilassung verursachen würde, war in der Tat kaum zu
bewältigen. Ganz davon abgesehen, dass die Polizisten, die man für dessen
Bewachung einsetzen musste, an anderen Stellen fehlen würden.
    Osterkorn
nickte bedächtig. »Es ist nicht zu leugnen, dass jeder Einzelne von Ihnen
wesentlich mehr Aufgaben stemmen muss als früher«, räumte er ein.
    »Da
wird dann schon mal in Kauf genommen, dass wir alle Burn-out kriegen oder der
eine oder andere Kollege frühzeitig an einem Herzinfarkt abkratzt«, murmelte
Brock. »Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht.« Mit einem
listigen Grinsen wandte er den Kopf. »Ich finde, wir sollten ein paar Tage
verdeckt observieren, der Typ soll sich in Sicherheit wiegen. Wenn er sich dann
an ein Kind ranmacht und wir ihn auf frischer Tat ertappen, ist er ratzfatz
wieder da, wo er hingehört.«
    Franca
konnte nicht mehr länger an sich halten.
    »Sei
nicht so zynisch«, krächzte sie kopfschüttelnd mit zusammengezogenen
Augenbrauen. »Das ist ja nicht zum Aushalten.«
    »Ist
doch wahr«, konterte Brock.
    »Ich
frage mich, wie lang so eine Überwachung gehen soll«, hakte Clarissa nach. »Eine
Woche? Einen Monat? Oder tatsächlich so lang, bis er wieder was anstellt?«
    »So
lang wie nötig.« Osterkorn stand auf. Offenbar war die Unterredung für ihn
beendet. »Sie kümmern sich drum, ja?«, sagte er in Francas Richtung. »Ich
wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Sie entschuldigen mich.« Damit
zog er die Tür hinter sich zu.
    »Was
war das denn?«, krächzte Franca fassungslos.
    »Sisyphus
lässt wieder einmal grüßen«, ließ Hinterhuber vernehmen. »Und wir dürfen’s
ausbaden.«
    Einen
Moment herrschte ungläubige Stille im Raum. Sogar Brock hatte es die Sprache
verschlagen.
    »Warum
lassen wir uns nicht einfach klonen?«, meinte Clarissa grinsend. »Wäre doch mal
’ne Super-Idee.«

2
     
    »Bin wieder da!« Andrea
Liebermann fegte zur Tür herein, voll bepackt mit Einkaufstüten. Hastig stellte
sie alles auf dem Küchentisch ab, rief: »Konny? Hilfst du mir mal?«, während
sie schnell das Notwendigste im Kühlschrank verstaute. Draußen herrschten
Temperaturen um die 30 Grad, da galt es, zügig zu handeln. Als keine Antwort kam,
lief sie zu der Zimmertür ihres Sohnes und steckte den Kopf hinein.
    »Oh,
Entschuldigung!« So hastig, wie sie die Tür geöffnet hatte, schloss sie sie
wieder.
    Ein
überraschtes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Es kam nicht oft vor,
dass Konny Besuch mitbrachte, ohne ihr vorher Bescheid zu sagen. Und es war
noch nie vorgekommen, dass sie ihn beim Knutschen erwischte. Im
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