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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark
Autoren: Gabriele Keiser
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hatte sie ihm lange nicht
verziehen.
    Dennoch
begegnete sie diesem Kind mit viel Geduld, denn tief in ihrem Herzen hatte sie
den Jungen als ihr Kind angenommen. Dass sie ihn adoptieren würden, stand außer
Frage.
    Man
konnte förmlich beobachten, wie er sich entwickelte und aufblühte, wie er nach
und nach sie beide als seine Eltern akzeptierte. Innerhalb kürzester Zeit holte
er sämtliche Defizite auf. Sie konnten stolz sein auf sich und auf Konny.
Dieses Gefühl dauerte bis heute an.
    Im
Nachhinein gesehen war dies die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen. Wenn
man von ein paar Dummejungenstreichen absah, wie sie im Grunde jedes Kind
ausheckt, hatte Konstantin ihnen keine größeren Probleme bereitet. Und heute
war er ein hübscher junger Mann, der auf sein Äußeres achtete und mit Erfolg
das Gymnasium besuchte. Ein noch nicht ganz fertiger Mann, der sensibel war und
sich gut in andere einfühlen konnte. Sein Haar war ein wenig dunkler geworden,
und seine Locken waren vollkommen herausgewachsen. Er war hilfsbereit und
zuvorkommend und war genau der Sohn, den Andrea sich gewünscht hatte. Was machte
es da schon, dass er nicht ihr eigen Fleisch und Blut war?
    Sie
glaubte fest daran, dass Konny es im Leben zu etwas bringen würde. Und nun
hatte er eine Freundin. Sie freute sich für ihn.
    »Ist es
mit dem Mädchen was Ernstes?«, fragte sie.
    Er
grinste sie ein wenig frech an. »Ach, Mama. Was du alles wissen willst.« Dann
schwieg er wieder und widmete sich weiter dem Gemüse.
    Sie
holte den Wok aus dem Schrank.
    »Britta
bekommt ein Kind«, sagte er plötzlich, dennoch klang es beiläufig.
    Ihr
fiel fast der Wok aus der Hand. »Was? Von dir?«
    Wieder
lachte er. »Das hab ich mir gedacht, dass du das sofort fragst. Nein, nicht von
mir. Aber vielleicht ist es dann doch meins, sozusagen. Ich stell mir das
jedenfalls schön vor, für so ein kleines Würmchen zu sorgen.«
    Sie stellte
den Wok auf die Herdplatte und setzte sich zu ihm an den Tisch. »Weißt du, was
du dir da auflädst, Konny?«
    Obwohl
ihr sehr vieles durch den Kopf ging, hielt sie sich mit moralisierenden,
warnenden Kommentaren zurück.
    Er sah
kurz zu ihr auf und hob die Schultern. »Ich liebe sie.«
    »Und
seit wann?«
    »Zwei
Monate. Vielleicht auch drei. Wir kennen uns schon länger.«
    »Und
wie weit ist die Schwangerschaft?«
    »Vierter
Monat.«
    Sie
atmete tief durch. Bloß vernünftig bleiben, sagte sie sich. Sachlich
argumentieren. Damit kommt man weiter als mit unbedachten Emotionen. »Du bist
17«, sagte sie. »Du hast weder einen Schulabschluss noch eine Ausbildung. Du
hast das Leben noch vor dir. Willst du dich wirklich mit einer schwangeren Frau
belasten, die zudem das Kind eines fremden Mannes austrägt?«
    Er sah
ihr tief in die Augen. »Das habt ihr doch auch gemacht, euch mit einem fremden
Kind belastet. Und, hat’s geschadet?«
    »Wir
waren nicht 17.«
    »Wenn
das Kind auf die Welt kommt, bin ich volljährig.«
    Sie
ahnte, bei seinem Dickschädel war momentan jede Argumentation zwecklos. Wenn er
sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es kompromisslos durch. Auch wenn
es offensichtlich nicht zu seinem Besten war. Also blieb ihr vorläufig nichts
anderes übrig, als seine Entscheidung zu akzeptieren. Vielleicht würde er mit
der Zeit vernünftig.

3
     
    Er setzte sich in seinen Wagen
und starrte auf das Fenster der Wohnung im ersten Stock, in der er sich bis vor
Kurzem aufgehalten hatte. Es begann zu nieseln. Winzige Tröpfchen bildeten nach
und nach einen Schleier auf der Windschutzscheibe.
    Ohne
dass er es wollte, hörte er das Kind schreien. Ich will nicht weg. Schick
mich nicht weg, bitte, bitte. Ich will hier bleiben, bei euch. Ich mach’s auch
nie wieder. Ich verspreche dir alles. Ich tu alles, was du von mir verlangst.
    Weg
damit. Bloß weg damit. Das Echo in seinem Kopf dröhnte überlaut. Er presste
beide Handflächen gegen seine Ohren, rieb sich die Schläfen. Diese verdammten
Kopfschmerzen. Und dieses anschließende Gesumme, das ihn immer dann überfiel,
wenn er es am wenigsten erwartete.
    Er
starrte durch den Nieselschleier hindurch auf die menschenleere Straße. Wo
waren denn alle? Es war helllichter Tag. Sollte da nicht wenigstens eine
Menschenseele sichtbar sein? Heftig überfiel ihn das Gefühl, von allem
Vertrauten getrennt zu sein. Überflüssig, weggeschoben. Dagegen musste man sich
wehren.
    Scharf
zog er die Luft durch die Nase.
    Plötzlich
war der Gedanke aufgetaucht. Das, was stillgelegt und
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