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VT10 - Tod im Blut

VT10 - Tod im Blut

Titel: VT10 - Tod im Blut
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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schon! Die großen Heuschrecken Afras, die nichts und niemand aufhalten konnte. Sie fraßen ganze Felder binnen Stunden leer – komplett, bis hinunter zu den Wurzeln!
    Wohin? Wohin?
    Eine Frakke prallte brummend an das Stalltor, knapp neben Ngomanes Guckloch. Er schrak zurück, fauchte lautlos. Schon tauchten wackelnde Fühler an dem Spalt auf. Kratzige Beine folgten. Draußen wurde das Knistern und Brummen unangenehm laut.
    Ngomane drehte sich um, warf einen Blick auf Nandi. Sie stand so verloren mitten im Stall, die Hände auf die Ohren gepresst. Es ist nicht recht! Das Kind hatte sich vor den Hirnfressern gerettet, und jetzt sollten widerliche Insekten ihm den Tod bringen? Nein! Das war nicht recht!
    Und da, plötzlich, fiel es ihm ein.
    Die Scheiterhaufen! Sie bestanden nur noch aus Knochen und Asche; die Frakken würden sie unbeachtet lassen!
    Ngomane lief zu Nandi, hob sie auf und trug sie zur Stalltür.
    »Halt deine Hände vors Gesicht!«, befahl er, dann stieß er die Pforte auf.
    Draußen wimmelte es von Frakken. Ngomane war im Nu von ihnen übersät. Sie bissen in seine Haut, krabbelten über Nase und Mund, in die Ohren, an die Augen… er konnte nichts dagegen tun. Nur laufen.
    Ngomane rannte um sein Leben. Als er sich dem nächstgelegenen Scheiterhaufen näherte, bat er die Geister um Vergebung, dann legte er eine schützende Hand auf Nandis Kopf und sprang.
    Asche wallte hoch – verbranntes Menschenfleisch, verbranntes Holz. Sie kam als graue Pulverschicht wieder herunter, hüllte den Mann und das Kind ein.
    Ngomane vergrub sich mit Nandi so tief wie möglich im Scheiterhaufen. Er hielt sie fest umschlungen, schärfte ihr ein, sich nicht zu bewegen. Hier waren sie sicher. Die Toten von Kilmalie verbargen und schützten sie vor den Frakken.
    Zwei Stunden später kamen die Vögel. Ngomane hob den Kopf, als er ihr heiseres Krächzen vernahm. Sie stießen auf Kilmalie hinab, landeten flatternd rings um den Scheiterhaufen.
    Hunderte schwarzer Vögel, jeder einzelne ein guter Jäger. Wie Kolks hüpften sie am Boden hinter den Frakken her. Pick, pick, pick – tot, tot, tot! Was für ein befreiender Anblick! Gerettet von den Vögeln! Das glaubte der Banzulu-Fürst zumindest, und normalerweise hätte er damit auch Recht gehabt.
    Allerdings ahnte er nicht, dass die Frakken auf ihrem Weg nach Südosten kurz zuvor das Dorf Muhnzipal überrannt und dabei Hunderte von Gruh vertilgt hatten.
    Die Insekten schienen nicht anfällig für das Gift zu sein, denn sie veränderten sich nicht. Doch das verseuchte Fleisch der Gruh war in ihrem Verdauungstrakt gelandet, und nun nahmen es die Vögel gierig auf…
    Mühsam kletterte Ngomane aus dem Scheiterhaufen, hob das erschöpfte Kind heraus und stellte es auf die Erde. Nandi war grau wie eine Tote.
    »Ich nehme dich mit in mein Dorf«, sagte Ngomane ruhig, während er ihr die Asche abwischte. »Dort sind Nahrung und Wasser und gute Menschen. Wir nehmen dich bei uns auf.«
    Du bringst das Verderben nach kwaBulawayo!, sang die Stimme der Geisterfrau in seinem Kopf. Ngomane wandte sich innerlich ab, runzelte unwillig die Stirn. Nandi war doch nur ein Kind!
    Er sah sie an. Große traurige Augen erwiderten seinen Blick; Augen, die grässlichere Dinge gesehen hatten als ein Krieger in der Schlacht. Und doch war da ein verzagtes Lächeln an ihren Mundwinkeln. Ngomane schüttelte den Kopf.
    Nein! Das Verderben sah anders aus!
    »Lass uns gehen!«, sagte er und nahm sie bei der Hand.
    Doch nach ein paar Schritten riss sich Nandi plötzlich los und rannte zurück. Verwundert blickte der Banzulu-Fürst hinter ihr her. Er sah, wie das kleine Mädchen vor dem Scheiterhaufen stehen blieb und die Hände L-förmig aneinander legte.
    »Bayete!«, piepste sie. Dann kehrte sie zurück. Vögel flatterten vor ihr auf, und ein paar Frakken versuchten ihr Glück an Nandis abgewischten Hautstellen. Ein Exemplar landete auf ihrem Arm. Sie zuckte zusammen, wie unter einem Biss, und schlug energisch zu. Gleich darauf hatte sie Ngomane erreicht, schob ihre Hand in die seine und wanderte mit ihm davon.
    Niemand sah den Blutstropfen an ihrem Arm.
    ***
    Um wieder zum Palast zu gelangen, benutzte Tala geheime Wege durch enge Gassen und Hinterhöfe. Sie wollte sich dem Spießrutenlauf durch die erboste Menschenmenge nicht noch einmal aussetzen. Beim Regierungssitz von Prinzessin Marie angekommen – in dem jetzt deren Halbschwester Antoinette Hof hielt –, benutzte sie ebenfalls einen Hintereingang, vor
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