Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT10 - Tod im Blut

VT10 - Tod im Blut

Titel: VT10 - Tod im Blut
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
schon abgeerntet sein müssen, und sie hätten pulsieren müssen vor geschäftigem Leben: Maelwoorms und ihre Reiter, arbeitende Frauen, Kinder im Schatten wachsender Strohmieten… da hätte Gesang sein müssen, Lachen und Rufen.
    Doch es war totenstill. Nichts regte sich, der Weizen stand unangetastet in seiner Reife, erfüllte die Luft mit Staub. Eine Lerche flatterte über den endlosen Feldern. Sie sang ihr Lied, wie sie es immer tat, und diese einsame kleine Vogelstimme machte Ngomane das Fehlen der Menschen noch schmerzlicher bewusst.
    Verfluchter iFulentshi, dachte er bitter.
    Da war eine Wolkenstadt am Himmel nahe der Großen Grube. So fern! So nutzlos! Sie hatte offensichtlich nichts ausrichten können, als die Hirnfresser kamen! Viele hundert Krieger hätte der Kaiser entsenden müssen, um seine Bauern zu retten, und deren Kinder!
    Ngomane wappnete sich innerlich, während er Kilmalie betrat. Er dachte an sein eigenes Kind, diesen viel versprechenden Jungen, den er von Herzen liebte. Der iFulentshi kann nur froh sein, dass Um Lilwane nichts passiert ist! Wenn das Kleine Feuer erloschen wäre… ich weiß nicht…
    ich würde den Kerl in Stücke reißen!
    Ngomane dachte auch an Tenga, der mit Dingiswayo am Waldrand auf ihn wartete. Es war die richtige Entscheidung gewesen, den jungen Banzulu zurückzulassen, das wurde ihm klar, als er den Dorfplatz erreichte. Jemand hatte die Leichen der Kilmalier dort zusammengetragen und auf Scheiterhaufen verbrannt.
    Welch schändliche Tat! Ngomane presste die Lippen zusammen, ging mit düsterer Miene an den schwarz verkohlten Resten der Feuerstellen entlang. Jeder Afraner hatte das Recht auf eine anständige Bestattung!
    Krieger, Schamanen, Häuptlinge… sie wurden nicht einfach in der Erde versenkt. Man hüllte sie in wertvolle Felle und gab ihnen Geschenke mit. Anders konnten die Geister sie doch gar nicht finden!
    Selbst diese kleine Mühe waren sie dem iFulentshi nicht wert! Ngomane hockte sich vor einen der Scheiterhaufen und streckte die Hand aus. Verbranntes Holz zerfiel zu Asche, als er es berührte; Schichten verrutschten, bleiches Gebein wurde sichtbar. Etwas rollte herunter. Der Banzulu-Fürst fing es ab, damit es nicht am Boden aufschlug. Nachdenklich hielt er es in der Hand.
    Es war der Totenkopf eines Kindes, klein wie eine Kokosnuss. Ngomanes Herz wurde schwer, als er das gezackte Loch in der Schädeldecke betrachtete. Was mussten die Hirnfresser für widerwärtige Kreaturen sein, dass sie nicht einmal davor zurück scheuten, so ein junges Leben zu zerstören?
    Wenn ich euch finde, bezahlt ihr dafür! Und euer Tod wird kein leichter sein!, schwor Ngomane. Sacht legte er den Kopf zurück und stand auf. Er nahm sich vor, die Banzulu herzuholen, den ganzen Stamm, damit die Bauern von Kilmalie hier nicht liegen bleiben mussten.
    Etwas landete auf seinem Arm, mit kratzigen Insektenfüßen.
    Ngomane war so aufgebracht, dass er gedankenlos zuschlug. Er traf – auch eine gerade heilende Wunde – und stöhnte unterdrückt. Dann klaubte er die zerquetschten Reste von der Haut.
    Sie gehörten einer Frakke. Ngomane sah sich um, und tatsächlich hüpften hier und da schon vereinzelte Exemplare durch den Staub. Das musste die Vorhut des großen Schwarms sein! Offenbar waren sie bereits im Anflug, da blieb nicht viel Zeit zum Verweilen. Aber Ngomane hatte ohnehin genug gesehen. Leere Häuser, öde Gassen, faulende Kadaver in den Pferchen… hier lebte nichts mehr. Kilmalie war zur Totenstadt geworden, und er beschloss, sie vom Antlitz seiner Erde zu tilgen. Später. Wenn die Frakkenplage vorüber gezogen war.
    Der Banzulu-Fürst warf einen letzten Blick auf die Scheiterhaufen. Ernst und würdevoll legte er seine Hände L-förmig zusammen. »Bayete!«, grüßte er die Toten. Dann wandte er sich ab. Gerade noch rechtzeitig, um zu erkennen, dass er nicht allein war.
    Jemand hatte in der offenen Tür eines Maelwoormstalls gestanden und ihn von dort beobachtet. Als Ngomane sich umdrehte, war er mit fließender Bewegung ins Dunkel zurückgewichen.
    Ein Hirnfresser vielleicht? Der Banzulu-Fürst wünschte es sich fast! Er wechselte den Jagdspeer in die Linke und löste seine Machete vom Gürtel. Es war ein großes, scharf geschliffenes Teil, das gut in der Hand lag. Ngomane atmete einmal tief durch und lief los.
    Seine Hütte in kwaBulawayo stand direkt neben dem Rinderpferch, deshalb war Ngomane einiges an schlechten Gerüchen gewöhnt. Doch als er den Maelwoormstall
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher