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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag
Autoren: Linda Howard
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der Schachtel, schlitzte sie am Saum auf und begann sie in Streifen zu schneiden. Die ersten beiden faltete er zusammen, bevor er sie Karen reichte, und sie preßte sie auf die Wunde. Er zog ein Kleid heraus und wiederholte das Ganze, zuerst an der Naht aufschlitzen, dann in Streifen reißen. Die Stoffstreifen waren lang genug, um sie Marc um den Oberkörper zu wickeln. Baseballmütze half ihr dabei, indem er Marc stützte, während sie den Verband anlegte. Sie zog den Verband so fest wie möglich und verknotete die Stoffstreifen über der Einschußwunde, um so noch mehr Druck zu erzeugen.
    »Telefon«, stieß sie barsch hervor. Das war die nächste Priorität.
    »Das mach ich schon.« Baseballmütze lief die Reihe der Lagercontainer entlang und verschwand durchs Tor. Er machte dabei kein Geräusch. Er schien sich vollkommen lautlos zu bewegen.
    Karen prüfte noch einmal Marcs Puls. Ihre Uhr verriet ihr, daß er hundertdreißig betrug, viel zu schnell also. Er verfiel allmählich in einen Schockzustand, denn sein Körper mußte sich sowohl gegen den Blutverlust als auch den Sauerstoffmangel und das Trauma der Verletzung wehren. Sie hievte seine Beine hoch und legte sie auf die Brust des beleibten Mannes, dann hockte sie sich so zu ihm, daß sie sein Gesicht vor der sengenden Sonne abdeckte.
    »Hörst du mich noch?« fragte sie in gezwungen ruhigem Ton.
    Er blinzelte langsam und rang sich ein mühsames Lächeln ab. »Ja, Ma’am«, murmelte er, Baseballmützes sarkastischen Tonfall imitierend. »Mein Zustand?«
    »Die Kugel hat den linken Lungenflügel getroffen. Du hast eine Menge Blut verloren, du leidest unter einem Schock, dein Puls ist zu schnell und zu schwach -«
    Er rang rasch und schmerzhaft nach Luft. »Ernst - aber nicht tödlich.«
    »Ja.« Das eine befürchtete sie, das andere hoffte sie. »Hör auf zu reden. Baseballmütze ist fort, um einen Krankenwagen zu rufen.«
    »Ich muß - mit ihm reden.«
    »Er kommt gleich wieder.« Das hoffte sie zumindest. Vielleicht machte er sich ja auch aus dem Staub, solange es noch möglich war.
    Aber schon wenige Minuten später tauchte er wieder auf, ebenso geräuschlos, wie er verschwunden war, und ließ sich neben Marc auf ein Knie nieder. Die Mütze hatte er sich tief in die Stirn gezogen, und seine Sonnenbrille war so dunkel, daß die Augen dahinter nicht zu erkennen waren. Sein Haar war dunkelbraun, soviel konnte Karen sehen. Sie wußte jedoch, daß sie ihn ohne seine Kappe und Sonnenbrille nicht wiedererkennen würde.
    »Hier.« Er zog die Pistole aus seinem Hosenbund und reichte sie Karen mit dem Griff nach vorn. »Die brauchen Sie für die Ballistiken Wir wollen doch nicht, daß die Cops irgendwelche fremden Kugeln finden, nicht wahr? Mal überlegen, wie ließe sich plausibel erklären, daß wir drei Tote und einen Verwundeten haben, aber sechs Waffen, das Messer nicht miteingerechnet?« Er schwieg einen Augenblick. »Tja, das könnte kompliziert werden.«
    »Ich regle das schon«, keuchte Marc.
    Baseballmütze lächelte grimmig; es war wenig mehr als ein Zucken der Lippen. Er erhob sich, schritt zur Leiche des Senators und blickte einen Moment lang auf ihn nieder. »Du verdammter Hurensohn«, sagte er zu dem Toten.
    »Haben Sie - zugehört?« erkundigte sich Marc, nach Luft ringend.
    »Ja, hab ich.«
    Irgendwas an seinem grimmigen Ton machte Karen betroffen. Sie blickte zuerst die Leiche des Senators an, dann Baseballmütze. »Wir haben ihn beide erschossen«, sagte sie. »Zur gleichen Zeit.«
    Er nickte kurz. »Und beides Volltreffer«, fügte er ebenso kurz hinzu.
    »Er hat meinen Vater jagen und umbringen lassen.« Sie war überrascht über die Leidenschaft, mit der sie das sagte.
    »Ich weiß.« Es schien, als wolle er noch etwas sagen, dann preßte er die Lippen zusammen.
    Marc gab sich einen Ruck. »Kann - dieser Mann - mit Ihnen - in Verbindung gebracht werden?« Er stupste die Leiche des beleibten Mannes mit dem Fuß an. Karen verstand, was er damit sagen wollte. McPherson war ein Risiko eingegangen, als er ihnen seine Hilfe anbot; Marc wollte nicht, daß etwas herauskam, das die CIA in die Sache mit hineinziehen würde.
    »Nein.«
    »Das - Abschußbuch.«
    »Machen Sie’s publik.« Baseballmütze verzog verächtlich den Mund. »Soll nur jeder wissen, was für ein Bastard Stephen Lake war. Außerdem ist es ein Beweis für sein Motiv.« Sein Kopf bewegte sich in ihre Richtung, und da wußte Karen, daß er sie ansah. »Kommt er wieder in
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