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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat
Autoren: Thomas Stompe
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durch ausführliche fachärztliche Explorationsgespräche sowie durch psychologische Testung und standardisierte Interviews (SCID 1 und 2). Erfasst werden sowohl die Erstdiagnosen als auch Persönlichkeitsstörungen und Substanzmissbrauch/-abhängigkeit. Häufig vorkommende Charakteristika psychisch kranker Rechtsbrecher, die die Behandlung in der Forensischen Psychiatrie schwieriger, aufwendiger und länger machen als in der Allgemeinpsychiatrie, sind ein chronischer Krankheitsverlauf mit schlechtem Ansprechen auf Medikamente, fehlende Krankheitseinsicht, mangelhafte Compliance (Bereitschaft, die verordneten Medikamente einzunehmen) sowie komorbide Störungen (Substanzmissbrauch bzw. -abhängigkeit, antisoziale Persönlichkeitsstörungen). Darüber hinaus zeigen forensische Patienten im Vergleich zu denen der Allgemeinpsychiatrie oft globale Intelligenzdefizite.
Defizitprofil
    Defizite, aber auch ein Teil der dem Patienten zur Verfügung stehenden Ressourcen können durch standardisierte psychologische Testverfahren erfasst werden. Ziel der neuropsychologischen Diagnostik ist die Objektivierung und Beschreibung kognitiver und affektiver Funktionsstörungen durch die Untersuchung höherer Wahrnehmungsleistungen sowie des intellektuellen Leistungsprofils, der Gedächtnis-, Aufmerksamkeits-, sensomotorischen und exekutiven Funktionen und der Affektivität. Zu den kognitiven und affektiven Defiziten, die delinquentes und normabweichendes Verhalten besonders fördern, gehören eine schlecht ausgebildete oder durch die psychische Erkrankung zusammengebrochene Theory of Mind (d. h. die Fähigkeit, das Gegenüber als eigenständige Person mit eigenen Gedanken, Einstellungen, Vorstellungen, Plänen und Gefühlen wahrzunehmen), Defizite in den Exekutivfunktionen (das Setzen von Zielen, Planung, Entscheidung für Prioritäten, Impulskontrolle, emotionale Regulation, Aufmerksamkeitssteuerung, zielgerichtetes Initiieren und Sequenzieren von Handlungen, motorische Steuerung, Beobachtung der Handlungsergebnisse und Selbstkorrektur), eine unterentwickelte soziale Kompetenz sowie eine schlecht oder gar nicht ausgebildete Empathiefähigkeit.
Ressourcenprofil
    In den letzten Jahren wurde zunehmend stärker auf die Erfassung und Förderung positiver Ressourcen gesetzt. Die forensisch-psychiatrische Wissenschaft geht heute davon aus, dass manche Krankheits-, Risiko- und Defizitfaktoren durch positive Ressourcen kompensiert werden können. Positive oder protektive Faktoren sind eine unkomplizierte, positive Lebenseinstellung, die ihrerseits positive Reaktionen des Umfelds hervorruft, die Fähigkeit zur Distanzierung von negativen Umwelteinflüssen, die Fähigkeit zur Herstellung von sinnvollen Bezügen zwischen dem eigenen Verhalten und der eigenen Lebensperspektive, zur Empathie und zur Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen. Protektiv wirksam sind weiters eine realistische Einschätzung der Anforderungen durch die Umwelt, die Fähigkeit, soziale Probleme zu lösen, gute intellektuelle Fähigkeiten, eine sichere Bindung an eine Bezugsperson innerhalb oder außerhalb der Familie. Als positiv erwiesen hat sich eine Kontrolle und Konsistenz im familiären, schulischen oder beruflichen Bereich, die Unterstützung durch nicht delinquente Freunde und Partner, Erfolg im Beruf und eine damit verbundene Bindung an dort vermittelte Werte und Normen und vor allem die Erfahrungen von Struktur und Sinnhaftigkeit im eigenen Leben.
Risikoprofil
    Basis für Risikoeinschätzungen sind das allgemeine Wissen über psychische Störungen und Täterverhalten, bisher gezeigtes Verhaltensmuster einer konkreten Person, die spezifische Tatsituation sowie zukünftige Risikofaktoren. Das Risikoprofil wird durch eine systematische Fallanalyse, Berücksichtigung delikt- und diagnosespezifischer Basisrückfallraten sowie statischer und dynamischer Risikofaktoren erfasst.
    Deliktspezifische Basisrückfallraten (Neuverurteilungen)
Mord
0-2,4%
Körperverletzung
15-22%
Häusliche Gewalt
17%
Brandstiftung
11-25%
Betrug
47%
Diebstah
l52%
KFZ-Diebstahl
59%
Einbruch
55%
Raub
15-20%
Kindesmissbrauch
15-43%
Vergewaltigung
14-29%
Drogenverbreitung
23%
Drogenhande
l7-37%
    Statische Risikofaktoren beschreiben vergangene Geschehnisse bzw. stabile Patientenmerkmale, die nicht mehr veränderbar sind und sich negativ auf die Legalprognose (d. h. auf die Begehung neuerlicher Gewaltdelikte) auswirken können. Diese Risikofaktoren spielen vor allem für die Planung sozialer
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