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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat
Autoren: Thomas Stompe
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existierten neben den Originalbibeln 144.000 Abschriften; die Auflagezahl sei deshalb wichtig geworden, da 144 eine heilige Zahl sei (12 × 12 Apostel). In den weiteren Jahren habe er von verschiedenen Regierungen weitere Geheimaufträge erhalten, die er in unterschiedlichen Identitäten ausgeführt habe. Er gibt an, die James-Bond-Erzählungen seien nach seinem Leben geschrieben worden. Auf den Umstand angesprochen, dass diese zum Teil wesentlich früher geschrieben worden seien, meint er, dies sei ein Irrtum.
    Der Patient, so die Analyse seiner Erzählungen, hat einen im Kern systematisierten paralogischen Wahn mit märchenhaft ausgestatteten Größenideen. Teilweise lassen sich einzelne Schichten der Wahnfabel auf kulturell bekannte Inspirationsquellen zurückführen (Filme, Abenteuerromane und Bibelerzählungen), teilweise handelt es sich um Konfabulationen und Trugerinnerungen, die sich zu einer Wahnerzählung verfestigt haben. Bezüglich der eigenen Identität entwickelt Christian H. als profanen Strang die Vorstellung, Abenteurer, Geheimagent zu sein, der mit den verschiedensten Aufgaben betraut ist, mit der von ihm begründeten Antifa Schlachten schlägt. Im religiösen Teil des Wahns ist der Patient ein von Gott Berufener, der seinen ihm vorgegebenen Weg des Gebetes beschreitet und dadurch eine ungeheuerliche sakrale Macht erlangt hat.
    Das Protokoll einer Außenanamnese mit dem Bruder und der Mutter des Patienten bringt etwas Klarheit in die Entwicklung seiner Ideenbildungen. Aus diesen Gesprächen geht hervor, dass Christian H. schon als Kind äußerst fantasievoll war. Er wuchs in einer durch Religion geprägten familiären Atmosphäre auf. Nach der Trennung des Vaters zog die Mutter mit ihren Kindern in einen von Klosterschwestern betreuten Pflegebauernhof. Dort herrschte ein religiöses Klima mit klaren Wertvorstellungen von Gut und Böse. In der Zeit vor der Krankheit kam H. in Kontakt mit den Zeugen Jehovas. Zudem ist bekannt, dass der Patient in seiner Kindheit und Jugend sämtliche Karl-May-Romane gelesen hat, was nach Auskunft der Mutter seine Fantasietätigkeit außerordentlich angeregt hat.
    Im Leben des Patienten erfüllt das Wahngebäude kompensatorische Funktionen. Der immer schon zurückgezogen lebende Christian H. imaginiert sich als tollkühnen Abenteurer. Beziehungslosigkeit und Unfähigkeit, intime Kontakte einzugehen, werden im Wahn in die Bewusstheit gewandelt, ein Frauenheld zu sein. Auf diese Weise werden sowohl narzisstische als auch libidinöse Bedürfnisse befriedigt. In der Erzählung vorkommende logische Verwerfungen werden teilweise nicht erkannt, teilweise wird der Erkenntnis in neue erfundene Geschichten ausgewichen.
    Das Delikt, das H. in die Maßnahme geführt hat, steht am Wendepunkt der wahnhaften Entwicklung – er hat jemanden mit dem Tode bedroht, um selbst getötet zu werden. Es war ihm nicht einmal klar, dass er damit eine Straftat setzt. Christian H. lebt ein Leben in doppelter Buchführung: In der Justizanstalt Göllersdorf arbeitet er fleißig im Garten und verhält sich angepasst. Er fühlt sich wohl in Göllersdorf. Er hat die Justizanstalt in seinen Wahn integriert, es ist seine Heimat. Er weiß, dass er Patient hier ist. Gleichzeitig sieht er sich als jemand, der eine Wahrheit zu vertreten hat. Der Wahn erhöht seine Bedeutung. So weiß er, dass sein Astralkörper jede Nacht die Justizanstalt verlässt, um seine wahre Bibel zu predigen. Auch die Ärzte haben längst ihren Platz in seinem Wahn gefunden. H. ist der Schlossherr, ihm gehört Schloss Göllersdorf.

DIE BEHANDLUNG VON SCHIZOPHRENEN RECHTSBRECHERN
    Um die steigende Zahl der Maßnahmenpatienten besser, schneller und suffizienter behandeln zu können, wurde in der Justizanstalt Göllersdorf 2006 ein neues Therapiekonzept entwickelt und implantiert. Alle Patienten durchlaufen eine etwa ein halbes Jahr dauernde Eingangsphase. Die ersten Wochen verbringt der Neuankömmling auf der Aufnahmestation. Hier werden die Unterlagen gesichtet, erste ausführliche Explorationsgespräche und psychologische Testungen finden statt.
    Als Voraussetzung für die weiterführende Behandlung wird in der Eingangsphase ein Krankheits-, Defizit-, Ressourcen- und Risikoprofil erstellt. Neben der ausführlichen psychiatrisch-psychologischen Diagnostik spielt die Verhaltensbeobachtung, vor allem der Umgang mit Mitpatienten und Personal eine große Rolle.
Krankheitsprofil
    Die psychiatrische Diagnostik (ICD-10 und DSM-IV) erfolgt
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