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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat
Autoren: Thomas Stompe
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einer paranoiden oder einer katatonen Schizophrenie ist augenfällig. Die hebephrene Pseudopsychopathie führt aufgrund der Affektverflachung zu eher minder schweren Straftaten. Tatmotive sind zumeist leicht nachvollziehbare Bereicherungsabsichten, sexuelle Appetenz und Rache. Im Gegensatz dazu finden sich bei schubhaft verlaufenden katatonen und paranoiden Psychosen massive Gewalttaten, die häufig bizarr ausgestaltet sind. Die Tatmotive sind eindeutig psychotischer Natur: zumeist ein systematisierter, durch einen kräftigen, gereizten Affekt getragener Verfolgungswahn oder katatone, raptusartige Erregungszustände. Während bei den hebephrenen Verläufen, aber auch bei den chronischen paranoiden und katatonen Psychosen die soziale und familiäre Herkunft ein wichtiger Prädiktor für delinquentes Verhalten ist, spielen diese allgemeinen kriminogenen Faktoren für die Deliktgenese bei den schubhaften Verlaufsformen nur eine geringe Rolle.

Der Fall Ivan B. – Gefährliche Drohungen
    Nachdem Ivan B. telefonisch seine Freundin in ihrer Wohngemeinschaft nicht erreichte, rief er von einer öffentlichen Fernsprechzelle aus eine Station des Klagenfurter Landeskrankenhauses an, um die Explosion einer Bombe anzukündigen. Pflegepersonal und die alarmierte Polizei durchsuchten die Räume und fanden nichts. Im April 2000 erfolgten vier weitere Drohanrufe bei der Wohngemeinschaft. Nachdem Anzeige erstattet worden war, wurde eine Rufdatenrückerfassung genehmigt. So wurde Ivan B. ermittelt und angezeigt. Stritt er zuerst noch ab, etwas mit diesen Bombendrohungen zu tun zu haben, so legte er später ein Geständnis ab. Er habe sich nur einen Jux machen wollen, meinte er. Wegen eines Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 u. 2 StGB wurde der Schuldunfähige gemäß § 21/1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Aus dem Gerichtsakt geht hervor, dass Ivan B. zwei Vorstrafen vorzuweisen hat: Er bedrohte telefonisch zahlreiche Personen im Zeitraum von Mitte Juli bis September 1993 und verursachte im August durch Brandlegung im Krankenhaus einen Sachschaden im Ausmaß von drei Millionen Schilling. Als Motiv für diese Straftaten gab B. seine Wut über den Verlust seines Arbeitsplatzes als Gärtner an. Er habe die dafür Verantwortlichen durch Drohanrufe in Schrecken versetzen wollen. Da diese nicht ausreichend Furcht gezeigt hätten, sei es aus seiner Sicht notwendig gewesen, die Brände zu legen und die Sachbeschädigungen zu begehen.
    Ivan B. wurde in einer Kärntner Kleinstadt geboren. Der Vater war KFZ-Mechaniker und verstarb früh. Die Mutter arbeitete als Kellnerin. Nach dem Tod des Vaters wuchs der Patient bei den Großeltern auf. Nach Volksschule und Hauptschule besuchte er eine einjährige Haushaltsschule und begann danach eine Gärtnerlehre. 1993 verstarb der Großvater, zu dem B. sehr guten Kontakt hatte. Laut Gutachten sei es dem Patienten nicht möglich gewesen, eine normale psychosexuelle Reifung zu durchlaufen. Wegen seiner unsicheren, mit wenig Selbstwert ausgestatteten Persönlichkeit habe er keine partnerschaftlichen Beziehungen zu Frauen aufbauen können. Er sei zu scheu gewesen, um Frauen anzusprechen. Der Leistungsknick im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als Gärtner wird vom Gutachter als erstes Anzeichen der Erkrankung gewertet. Nach dem Tod des Großvaters wohnte der Patient in einer Wohngemeinschaft (betreutes Wohnen) und zuletzt bei einer Pflegefamilie. Ab 1992 gab es erste Kontakte zur Ambulanz der Psychiatrischen Klinik. Bis 1993/94 wird der Patient allerdings noch als krankheitseinsichtig und therapiewillig beschrieben.
    1997 war Ivan B. erstmals für eine Woche in der Psychiatrischen Abteilung. Aufnahmegrund war der Vorwurf von Mitbewohnern der Wohngemeinschaft, dass B. sie bestehle. Dies sei vom Patienten abgestritten worden, er sei sehr zornig geworden und habe einen Tisch umgeworfen. 1998 kam es zu einer zweiten stationären Aufnahme. Männer des Roten Kreuzes brachten ihn in Polizeibegleitung ins Spital. Der Patient hatte am Aufnahmetag wiederholt gefährliche Drohungen geäußert. Er selbst gab an, dass er zu Unrecht da sei, er habe niemanden bedroht. Nach Angaben der Betreuer sei es allerdings zuletzt gehäuft zu Drohungen gegenüber Mitbewohnern gekommen. Am Abend des Aufnahmetags floh Ivan B. aus dem geschlossenen Bereich, nachdem er zuvor seinen Kasten aufgebrochen hatte. Bereits am folgenden Tag wurde er von zwei Betreuern der Wohngemeinschaft
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