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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen
Autoren: Maori Kunigo
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Fiasko. Nachdem die junge Koreanerin mehrere Minuten
lang vergeblich versucht, ihm die Digitalkamera zu erklären, erbarmt sich die
Chinesin und übernimmt. Natürlich möchte der seit unserer Ankunft ohne Punkt
und Komma sabbelnde Spanier mit aufs Foto, obwohl ich stark bezweifle, dass er
es jemals zu Gesicht bekommen wird. Bei dem Versuch sich hinzusetzen, läuft er
gegen einen Tisch und geht fast zu Boden; nur mit vereinten Kräften können wir
ihn davon abhalten. Schließlich setzt er sich hin, und zwar genau so, dass er
mit seinem massigen Körper die halbe Gruppe verdeckt. Avril und Melanie kämpfen
seit Minuten von Lachkrämpfen geschüttelt mit Schmerzen, während einige Pilger
mit verständnislosen Blicken an uns vorbeiziehen. Schließlich gelingt uns ein
einigermaßen ansehnliches Foto. Nachdem wir unser Bier ausgetrunken haben,
verabschieden wir uns höflich und nehmen den letzten Kilometer unseres heutigen
Wandertages in Angriff. Die Altstadt von Nájera unterscheidet sich kaum von
anderen westeuropäischen, mittelalterlichen Altstädten. Zwischen restaurierten
Backsteinhäusern schlängeln sich schmale Gassen, alles garniert mit einem
Schuss Touristen. Mit anderen Worten: Wir könnten uns genauso gut in Frankreich
oder Süddeutschland befinden.
    In der örtlichen albergue (von »Ohlbörg« bis »Ählbörgie« hört man hier die unterschiedlichsten
Aussprachen; korrekt: »Allberge« mit Betonung auf der zweiten Silbe und einem
leicht gerollten R) duschen wir uns erst einmal ab, bevor Michelle — eine
gelernte Krankenschwester — meine zwei Blasen an den Fersen versorgt. Anders
als in der gestrigen Herberge werden hier sämtliche Pilger in einem großen
Schlafsaal untergebracht. Manchmal erweist es sich doch als großer Vorteil,
Allergiker zu sein und nicht gleich alle Details zu riechen. Ohne Abgrenzungen
reihen sich die Schlafplätze aneinander, ergo liegt man mit einem Wildfremden
praktisch nebeneinander im Bett. Das finden die hübscheren unter den Damen
überhaupt nicht erquicklich, die weniger hübschen dagegen... aber lassen wir
das.
    Nachdem wir uns alle fit genug
fühlen, machen Avril, Melanie, Michelle und ich uns auf den Weg in die
Altstadt. Offenbar scheint die Koreanerin doch kein fester Bestandteil der
Frauengruppe zu sein, sondern lediglich eine liebgewonnene Pilgerbekanntschaft,
die immer wieder etappenweise mitläuft. Ein Glück, vielleicht muss ich mir
ihren Namen ja gar nicht merken. Namen abspeichern gehörte noch nie zu meinen
Stärken. Nach wenigen Metern passieren wir eine cervecería, die
Dortmunder Union-Bier, König-Pilsener und Hannen Alt anpreist. Es soll ja Leute
geben, die ins Ausland fahren, um ausschließlich nach heimatlichen Gewohnheiten
Ausschau zu halten. Dabei nehmen viele meiner deutschen Freunde an, ihre
Landsleute führten diese Disziplin seit Dekaden unangefochten an. Irrtum.
Sowohl der US-Amerikaner, der durch die Verbreitung des goldenen Ms einen
klaren Vorteil gegenüber der zentraleuropäischen Konkurrenz genießt, als auch
der Japaner stellen im Kampf um die Spitzenposition knallharte Konkurrenz dar.
Meine Landsleute sind dafür bekannt, ins Ausland zu fahren und regelmäßig nach
»echtem japanischen Essen« zu fragen. Natürlich wollen sie auch mal die
einheimische Kost probieren, aber nichts geht über »echten japanischen Reis«.
Verbinde ihnen die Augen und lasse sie zehn Sorten Reis probieren, das Erste,
was man hören würde, wäre ein »Hurra!« beim Italiener.
    Melanie und Michelle erzählen,
dass sie auf dem Weg nach Nájera eine Vision hatten: Tapas, eine Wasserfontäne,
Eis und ein knackiger spanischer Gitarrist. Da wir uns in Spanien aufhalten,
dürfte das Auftreiben von Tapas eine der leichteren Übungen darstellen. Und so
ist es auch: In der wunderschönen Altstadt von Nájera reihen sich mehrere
einladende Tapas-Bars aneinander. Es entbrennt eine völlig sinnfreie
Diskussion, welche die beste sei. Ja, woher sollen wir das bitteschön wissen?
Bald spricht Avril ein Machtwort, dafür haben wir sie ja schließlich, und wir
entscheiden uns für das optisch am meisten ansprechende Lokal. Wir betreten es
von der einen Seite, geben dem Chef freie Hand bei der Auswahl, und verlassen
es auf der anderen. Dort finden wir nicht nur unzählige Tische, Stühle und
Sonnenschirme unter freiem Himmel vor, sondern auch — sieh mal einer an — eine
sprühende Wasserfontäne. Fehlen also noch das Eis und der spanische Gitarrist.
Auf den bin ich ja besonders
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