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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen
Autoren: Maori Kunigo
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durch spanische Truppen,
bei der Jakobus auch noch als heilige Erscheinung mitgekämpft haben soll, ließ
Alfonso VI. im Jahre 1077 mit dem Kathedralbau beginnen. Durch die Verbreitung
der Geschichte, Jakobus der Ältere habe praktisch im Alleingang die Araber
verhauen, wuchs die Popularität einer Pilgerreise zu dessen Grab rasant, und
Santiago de Compostela erlebte eine Blütezeit. »Santiago« ist die spanische
Form von »heiliger Jakob«, abgeleitet aus der lateinischen Form »Sanctus
Iacobus«. Entgegen anders lautender Behauptungen, und auch mein Wanderführer
von Cordula Rabe bildet keine Ausnahme, ist die Wortherkunft von »Compostela«
ungeklärt. Die weit verbreitete, weil wohlklingende Erklärung, das Wort stamme
von campus stellae (deutsch: Sternenfeld) ab, wird von vielen Etymologen
angezweifelt. Jedenfalls sei hier erwähnt, dass nur der Camino Francés, der von
den Pyrenäen quer durch Nordspanien nach Santiago de Compostela führt, als
»Jakobsweg« bezeichnet wird. Alle weiteren Wege, die sich über ganz Europa
erstrecken, werden offiziell »Wege der Jakobspilger« genannt, da sie anders als
der Camino Francés nicht allein durch den Pilgerstrom nach Santiago de
Compostela entstanden sind. Seit etwa zwanzig Jahren erlebt der Camino eine
Renaissance, und aus verständlichen Gründen kurbeln die Spanier das Pilgergeschäft
professionell an. Dass der Anteil der deutschsprachigen Pilger in den letzten
Jahren überproportional wächst, ist bekanntermaßen Hape Kerkelings Übererfolg
»Ich bin dann mal weg« zu verdanken.
    Jeder, der sich auf den Weg
nach Santiago de Compostela, nach Rom oder Jerusalem macht — manche reißen das
christliche Triple sogar in einem Rutsch ab, um sich einen Garantieschein für
die Expressverbindung Richtung Eden zu sichern — tut dies nicht ohne Grund, und
sei der auch noch so profan. Ich kann gleich drei Hauptgründe aufführen;
weniger hätten wohl nicht ausgereicht, um mich aus meinem trauten Heim in
Hamburg zu locken. Erstens habe ich mich bisher nicht ein einziges Mal getraut,
ohne jede Begleitung zu verreisen, zweitens liegt mein letzter Urlaub wegen
einer Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände schon Jahre zurück, und
drittens möchte ich mir selbst beweisen, dass ich mehr kann als fernsehen,
trinken und schlafen.
    Allerdings wäre Schlaf jetzt
genau das Richtige für mich. Am Flughafen verabschiedet mich Seb und sieht aus,
als würde er am liebsten mitkommen. Jetzt gilt es also, die überteuerten Flüge
nach Bilbao anzutreten. Als ich sie vor drei Monaten buchen wollte, ahnte ich
noch nicht, was auf mich zukommen würde: Beim Zahlungsvorgang wurde mir mitgeteilt,
meine Kreditkarte lasse keine Abbuchungen zu. Skeptisch wie ich bin,
kontrollierte ich das Kreditkartenkonto und stellte fest: Irgendjemand hatte
knapp dreihundert Euro abgebucht. Aus Südafrika. Hatte ich im Halbschlaf einen
Koffer Potenzmittel bestellt? Unwahrscheinlich. Ich informierte meine Bank, die
sich kulant zeigte und mir das Geld erstattete. Allerdings im Schneckentempo.
In der Zwischenzeit hatten sich die Ticketpreise um dreißig Euro erhöht.
Indirekt haben mich also ein paar südafrikanische Kreditkartenbetrüger dreißig
Euro gekostet. Trotz aller Logik, Intelligenz, gesundem Menschenverstand und
wissenschaftlichen Erkenntnissen; wenn es Gott nun doch gäbe, wären diese
Pilgerbetrüger jetzt fällig.
    Während ich in Brüssel völlig
gerädert auf den Anschlussflug warte, werde ich plötzlich ausgerufen. Das
verwirrt mich ein wenig, schließlich weiß doch niemand, dass ich hier bin.
Außer Seb, aber wieso sollte der mich in Brüssel ausrufen lassen? Das macht
doch alles überhaupt keinen Sinn. Bald stellt sich heraus, dass es
überraschenderweise gar nicht Seb war, sondern Brussels Airlines. Die haben
aufgrund ungebremster Euphorie zu viele Holzklassentickets verkauft. So mache
ich ganz allein fünfundzwanzig Prozent der Glücklichen aus, die nun in die Business
Class hochgebucht werden. Eigentlich sieht die bei Brussels Airlines genauso
aus wie die Economy Class, nur dass wir uns dank eines filzigen Vorhangs den
gemeinen Pöbel nicht ansehen müssen. Zudem bekommen wir gratis Getränke und
einen kleinen Snack serviert. Das verstehen Fluggesellschaften also heutzutage
unter »Business«: essen, trinken, den Pöbel ignorieren. Oh, du schöne
Zweiklassengesellschaft.
    In der Provinzhauptstadt von
Bizkaia angekommen, hoffe ich inständig, dass die meinen Rucksack in Brüssel in
den
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