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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt
Autoren: Amy Plum
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sonore Baritonstimme hallte durch den mit perlgrauem Holz getäfelten Ballsaal und brachte die elegant gekleideten Gäste zum Kichern. Hunderte Kerzen funkelten zwischen den Kristallprismen des Kronleuchters und warfen kleine Lichtpunkte durch den ganzen Saal – besser als jede Discokugel es je gekonnt hätte.
    Auf den Tischen an den Seiten des Salons häuften sich die Leckerbissen: winzige Eclairs mit Schokoladen- oder Kaffeecremefüllung, Makronen in mindestens sechs verschiedenen Pastellfarben, die einem auf der Zunge zergingen, Berge von Schokoladentrüffeln. Nach dem riesigen Festmahl, das ich gerade verdrückt hatte, war einfach kein Platz mehr in meinem Bauch. So ein Mist! Wenn ich gewusst hätte, was uns hier noch erwartete, hätte ich nicht so viel Brot gegessen und den Gang mit dem Käse ausgelassen.
    Am anderen Ende des Saals machte Ambrose sich gerade an einem iPod zu schaffen, der an eine große Lautsprecheranlage angeschlossen war. Ich musste grinsen, als wenige Sekunden später Jazz der Goldenen Zwanziger aus den Boxen ertönte. Obwohl der in Mississippi geborene Ambrose sonst gerne populäre Hits hörte, hatte er immer noch eine Schwäche für die Musik seiner Jugend. Während die Tänzer sich von Louis Armstrongs rauer Stimme tragen ließen, schnappte Ambrose sich Charlotte und wirbelte mit ihr über die Tanzfläche. Ihr heller Teint und ihre kurzen blonden Haare wirkten dabei wie das gegensätzliche Spiegelbild zu seiner dunklen Haut und seinen kurzen schwarzen Haaren.
    Sie waren ein beeindruckendes Paar – wenn sie nur ein Paar wären. Charlotte hatte mir kürzlich erst anvertraut, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte. Ambrose hingegen hegte diesen Wunsch nicht – aus für mich (und vielleicht auch für ihn selbst) unerfindlichen Gründen. Doch seine brüderliche Zuneigung zu ihr war so offensichtlich wie das verzückte Lächeln auf seinem Gesicht, während er sie herumschwang.
    »Sieht aus, als würde das Spaß machen. Wollen wir?«, flüsterte eine Stimme unweit meines Ohrs. Ich drehte den Kopf und sah Jules hinter mir stehen. »Ist auf deiner Tanzkarte noch Platz für mich?«
    »Überleg noch mal, in welchem Jahrhundert wir leben, Jules«, ermahnte ich ihn. »Es gibt keine Tanzkarten mehr.«
    Jules zuckte mit den Schultern und schenkte mir sein verführerischstes Lächeln.
    »Aber wenn ich eine hätte, stünde wohl mein Freund an erster Stelle«, zog ich ihn auf.
    »Nicht, wenn ich mit ihm darum kämpfen würde«, witzelte er und warf Vincent einen Blick zu, der uns vom anderen Ende des Saals mit einem schiefen Lächeln beobachtete. Er zwinkerte mir zu und nahm dann seine Unterhaltung mit Geneviève wieder auf, einer auffallend schönen Revenantfrau, auf die ich eifersüchtig gewesen war, bis ich herausfand, dass sie glücklich verheiratet war.
    Wenn man sie mitzählte, waren an diesem Abend ein paar Dutzend Revenants unter den Gästen, die nicht in La Maison residierten. (Niemand benutzte den offiziellen Namen Hotel Grimod de la Reyniere, wobei hôtel in diesem Fall für ein übertrieben riesiges, extravagantes Herrenhaus stand.) Jean-Baptistes Stadtschloss beherbergte außer ihn selbst Gaspard, Jules, Ambrose, Vincent und bis zum morgigen Tag noch Charles und Charlotte. Nach ihrem Umzug in Jean-Baptistes Haus in der Nähe von Nizza würden hier zwei andere Revenants ihre Plätze einnehmen.
    »Na gut. Um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern, überlasse ich dir den ersten Tanz. Aber für den Fall, dass Vincent übernehmen will, solltest du dein Schwert griffbereit halten.«
    Jules tätschelte ein unsichtbares Schwert an seiner Hüfte, nahm dann meine Hände und führte mich mitten auf die Tanzfläche zu Ambrose und Charlotte. »Kate, meine Liebe, der Kerzenschein steht dir wunderbar«, säuselte er.
    Ich wurde unwillkürlich rot, nicht nur, weil er dazu ganz verwegen seine Wange an meine legte, sondern weil mir von seinen Schmeicheleien nach wie vor ganz warm wurde, obwohl ich zweifellos Vincent verfallen war. Mit Jules zu flirten, war sicheres Terrain, weil es nicht ernst gemeint war. Immer wenn ich ihm auf Partys oder sonst wo begegnete, begleitete ihn eine andere, umwerfend schöne Frau.
    Er zog mich so nah an sich, bis wir regelrecht aneinanderklebten. Lachend schob ich ihn weg. »Jules, du unverbesserlicher Wüstling«, schimpfte ich in bester Jane-Austen-Manier.
    »Stets zu Diensten«, sagte er und machte eine tiefe Verbeugung, bevor er mich wieder umfasste und herumwirbelte.
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