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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt
Autoren: Amy Plum
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sondern weil Charles Mist gebaut hat. Und dabei ist ganz egal, dass das nicht mal seine Absicht war.« Ich drückte tröstend ihren Arm. »Und Jean-Baptistes Begründung ist doch sehr nachvollziehbar. Wenn die Numa tatsächlich irgendein großes Ding planen, wäre es hier zu gefährlich für Charles, so verwirrt und unentschlossen wie er gerade ist. Noch dazu kannst du ja hierbleiben, wenn du willst. Das hat er ausdrücklich gesagt.«
    »Ich kann ohne Charles nicht leben«, sagte sie traurig. »Er ist mein Zwillingsbruder. Wir haben bisher alles zusammen durchgestanden.«
    Ich nickte. Ich verstand sie. Wir hatten ziemlich viel gemeinsam, Charlotte und ich ... von der Unsterblichkeit vielleicht mal abgesehen. Wir hatten beide unsere Eltern verloren. Uns war nur ein Geschwisterteil geblieben, das einzige Bindeglied zu unserem früheren Leben. Zwar hatte ich außerdem noch meine Großeltern, aber meine Schwester war trotzdem die Einzige, die mich in der Wirklichkeit verwurzelte. Wobei sich die Bedeutung des Wortes »Wirklichkeit« für mich in den vergangenen Monaten drastisch gewandelt hatte.
    »Kennst du die Neuen?«, fragte ich.
    »Ja. Ich hab sie zwar nie zuvor getroffen, aber ich hab natürlich von ihnen gehört. Sie sind Teil der Alten Garde. Wenn du schon Jean-Baptiste alt findest, stammen die beiden aus der grauen Vorzeit. Aber sie sind genauso adelig wie er.«
    »Na, das ist ja nicht zu übersehen«, lachte ich. »Violette sieht aus, als wäre sie sehr jung gestorben.«
    Charlotte lächelte. »Mit vierzehn. Ihr Vater war ein Marquis oder so und sie war Hofdame bei Anne de Bretagne. Sie starb, weil sie der jungen Königin bei einem Entführungsversuch das Leben rettete.«
    »Königin Anne? Dann stammt sie ja aus dem Mittelalter!« Ich durchforstete mein Gedächtnis nach Namen und Daten, die ich mal in französischer Geschichte gehört hatte, aber Charlotte kam mir zuvor.
    »Sie ist ungefähr 1500 gestorben.«
    »Wie bitte? Dann ist sie ja über ein halbes Jahrtausend alt!«
    Charlotte nickte nachdenklich.
    »Und Arthur?«
    »Er stammt aus der gleichen Zeit. Sie kannten sich sogar zu Lebzeiten – er war Berater ihres Vaters. Ihnen strömt das Höfische jedenfalls aus jeder Pore. Sie und Arthur leben in einem mittelalterlichen Schloss im Loiretal. Vermutlich fühlen sie sich da auch richtig zu Hause.« Charlottes Stimme klang bitter. So, als würde sie sich wünschen, dass die beiden zurück in ihr Chateau fuhren und uns in Frieden ließen.
    »Für Jean-Baptiste ist ihre Ankunft wie ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Die beiden haben so viel erlebt und gesehen, die sind wandelnde Lexika. Gaspard hoch zehn, wenn du so willst. Violette ist eine weltweit bekannte Revenanthistorikerin, eine wahre Expertin. Niemand weiß mehr über die Numa als sie. Deshalb ist sie auch am besten dazu geeignet, JB bei der Strategieentwicklung zu unterstützen.« Sie zuckte mit den Schultern, als wäre diese Schlussfolgerung völlig einleuchtend.
    Das Knarzen der Haustür unterbrach uns. Wir drehten die Köpfe und sahen das zentrale Thema unserer Unterhaltung auf den Hof treten. Ihr adliges Gebaren umfing sie in der kalten Winterluft wie eine Wolke teuren Parfüms.
    »Bonsoir«, sagte Violette. In ihrer hohen Mädchenstimme schwang die Selbstsicherheit einer alten Frau mit. Dieser gruselige Widerspruch verflüchtigte sich jedoch sehr schnell, als ein freundliches Lächeln auf ihren rosaroten Lippen erschien, das so ansteckend war, dass ich gar nicht anders konnte, als zurückzulächeln.
    Sie beugte sich vor, um uns die vorgeschriebenen Wangenküsse zu geben, und richtete sich dann wieder auf. »Ich möchte mich gern vorstellen. Violette de Montauban.«
    »Ja, das ist uns bekannt«, sagte Charlotte. Ihr Blick war auf ihre silbernen Riemchenschuhe geheftet, als würden dort die Antworten auf alle Fragen des Universums erscheinen, wenn sie nur lange genug hinstarrte.
    »Ihr müsst Charlotte sein«, sagte Violette und gab vor, die Abfuhr nicht bemerkt zu haben. »Und Ihr ...«, damit drehte sie sich zu mir, »ich nehme an. Ihr seid Vincents Mensch.«
    Das Lachen, das mir über die Lippen kam, war halb verächtlich, halb amüsiert. »Ich habe auch einen Namen. Ich heiße Kate.«
    »Selbstverständlich, wie töricht von mir. Kate.« Sie wandte sich wieder an Charlotte, die noch immer ihrem Blick auswich. »Es betrübt mich zutiefst, dass Euch unser plötzliches Erscheinen so bekümmert«, sagte Violette, die Charlottes Körpersprache
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