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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt
Autoren: Amy Plum
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Meistersache auf sich hatte. Das musste nun warten, weil Vincent vor Ambrose sicher nicht darüber sprechen wollte. Jules hatte ganz recht, Vincent war sehr bescheiden. Angeberei war wirklich nicht sein Ding.
    »Brauche ich wirklich zwei Leibwächter?«, witzelte ich, als wir das Haus verließen und auf das Tor zuliefen.
    »Drei«, sagte Ambrose. »Henri, ein alter Freund von Gaspard, ist auch mit von der Partie und spielt für uns den Wachgeist.«
    »Oh, verstehe. Bonjour, Henri«, sagte ich laut, während ich insgeheim dachte: Okay , das war ziemlich abgefahren.
    Vor ein paar Monaten hatte ich erfahren, dass Revenants jeden Monat für drei Tage in einen todesähnlichen Zustand verfallen. Sie sagen dann, sie »ruhen«. Am ersten dieser Tage kann man sie wirklich tot nennen, da tut sich nichts. Aber schon am nächsten Tag erwacht ihr Geist und kann sich achtundvierzig Stunden lang frei bewegen. In ihrem Sprachgebrauch heißt das, dass sie volant sind. Wenn sie also auf der Suche nach Menschen, die sie retten können, durch die Straßen streifen, sind sie immer zu zweit unterwegs und in Begleitung eines volanten Revenants, der ein paar Minuten in die Zukunft blicken und sie alarmieren kann, sobald in der Nähe etwas zu passieren droht.
    »All das meinetwegen?«, fragte ich und hakte mich breit grinsend bei meinen beiden starken, nicht volanten Beschützern unter. »Dabei hat Gaspard doch kürzlich noch gesagt, dass ich beim Kampftraining allmählich Fortschritte mache.«
    »Ambrose und Henri kommen zu meinem und zu deinem Schutz mit«, beteuerte Vincent. »Es ist gut möglich, dass die Numa heute angreifen. Das wäre taktisch sehr klug, schließlich befinden sich die meisten der Pariser Revenants gerade unter einem Dach. Aber selbst wenn die Numa sich weiter zurückhalten, laufen in einer Silvesternacht genug andere, betrunkene Spinner herum.« Auf Vincents Lippen lag sein typisches schiefes Grinsen und er drückte einen Knopf neben dem Einfahrtstor.
    Sofort schaltete sich automatisch das Licht der Überwachungskamera ein. Ich blickte nach oben und winkte in die Linse. Falls irgendwann einmal jemand das Video anschauen sollte, würde man darauf ein Mädchen in einem Abendkleid erkennen, das sich auf jedem roten Teppich hätte sehen lassen können, begleitet von zwei attraktiven Männern in Smokings. Nicht schlecht , dachte ich, dafür, dass ich bis vor ein paar Monaten noch nicht mal ein richtiges Date hatte!
    Mondlicht schimmerte wie geschmolzenes Silber auf den alten, imposanten Bäumen, die die Straßen von Paris säumten. Andere Pärchen in Abendgarderobe schienen ebenfalls auf dem Heimweg zu sein, was der Stadt eine enorm festliche Note verlieh. Eine boulangerie , deren Chef selbst an einem Feiertag pflichtbewusst seiner frühmorgendlichen Aufgabe nachkam, verströmte den Duft von frischen Backwaren und ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ich drückte Vincents Arm und dachte dabei an alles andere als an lauernde Gefahren.
    Doch nur ein paar Ecken von meinem Zuhause entfernt veränderte sich plötzlich die lässige Haltung meiner Begleiter. Ich sah mich unauffällig um, konnte aber nichts entdecken, außer dass die beiden in Alarmbereitschaft waren. »Was ist los?«, fragte ich Vincent, dessen Gesichtsausdruck hart wurde.
    »Henri ist sich nicht sicher. Numa würden sofort auf uns losgehen, aber diese Typen verhalten sich irgendwie merkwürdig«, antwortete er und wechselte einen Blick mit Ambrose. Sofort beschleunigten sie das Schritttempo. Wir joggten über die Hauptstraße, was für mich wesentlich weniger wackelig gewesen wäre, hätte ich statt der hohen Absätze meine sonst üblichen Chucks getragen. Als wir in die Seitenstraße einbogen, die zum Apartmenthaus meiner Großeltern führte, fragte ich mich, was passieren würde, falls ein paar feindliche Revenants auf uns losgingen.
    »Die Numa würden nicht in aller Öffentlichkeit auf uns losgehen, oder?«, fragte ich atemlos, doch sofort fiel mir wieder ein, dass Ambrose vor ein paar Monaten einfach vor einem belebten Restaurant niedergestochen worden war.
    »Wir kämpfen nicht vor Sterblichen ... sofern es sich vermeiden lässt«, sagte Ambrose. »Daran halten sich auch die Numa. Wir würden schließlich unseren Bekanntheitsgrad in der menschlichen Gesellschaft deutlich erhöhen, wenn wir an jedem x-beliebigen Ort unsere Streitäxte zücken würden.«
    »Wieso wäre das eigentlich so schlimm? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dann alle
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