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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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deinen Rückruf.« Papa flocht eine strategische Pause in sein Gespräch und holte – damit rechnete ich zumindest –, zum letzten positiven Schlag aus. Meine Vermutung war richtig, er hatte noch etwas in petto. »Übrigens, Heirat ist auch in meinem Alter nicht ausgeschlossen.« Er lachte schüchtern. »Bis morgen, Sonja. Schlaf gut, Liebste.« Das Liebste hatte er hingeworfen wie ein achtloses Kompliment, das ihm im letzten Moment eingefallen war, dem deshalb aber nicht weniger Gewicht beizumessen war.
    Ich räusperte mich draußen, damit er mich hörte. Das Telefonat schien seine ganze Aufmerksamkeit gefordert zu haben und ich wollte ihn auf mich vorbereiten. Schließlich kam ich ins Wohnzimmer, wo der Fernseher ohne Ton lief und zwei Männer um eine Pistole kämpften, die von einem zum anderen wanderte, wie Spielzeug, um das sich ein echter Kampf im Grund überhaupt nicht lohnte. Ich drehte meinen Blick weg vom Bildschirm und nahm das Gesicht meines Vaters wahr, um dessen Mund ein süffisantes Lächeln spielte. »Wer ist Sonja?«, hob ich an und beschnitt mit der Frage seinen angedeuteten Redestrom. Zumindest ihren Namen hätte ich gehört, auch, wenn ich später herein gekommen wäre. Mein Vater zog die Augenbrauen zusammen und machte eine Geste, als wolle er andeuten, dass er sich von der Dame am Telefon mehr erwarte als Minimalaufmerksamkeit. »Sonja ist Renates Ex-Freundin. Sie hatte insgeheim schon immer ein Auge auf mich geworfen«, erklärte er nicht ohne männlichen Stolz.
    »Und was hast du mit ihrem insgeheimen Blick vor? Ich dachte, du trauerst um Renate und willst sie zurück.« Gestern noch war mein Vater ein gebrochener Mann gewesen, zumindest hatte er so getan und jetzt tauchte eine Neue auf und er strahlte wie ein Bräutigam.
    Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn, über seine kurzen Bartstoppeln. So leger bekam ich ihn selten zu sehen. »Ich habe mich entschlossen, Renates Entscheidung, dass wir getrennt sind, zu respektieren. Sonja hat angerufen, um mich zu fragen, ob ich ihr zur Verlobung gratuliere.«
    »Renate hat sich verlobt?«, rief ich erstaunt aus. Das ging schnell. »Ich wundere mich über ihr Tempo. Etwas, das du offenbar bereits hinter dich gebracht hast.« Mein Vater wirkte gefasst anstatt erschüttert. Und im Grunde war es gut so.
    »Halt mir keine Predigt, Lea«, begann er, obwohl ich das keineswegs vorgehabt hatte. »Ich bin keiner von denen, die sich in die Schlacht schmeißen, um sich dabei schwer verwunden zu lassen. Renate ist endgültig verloren und ich möchte heil bleiben.«
    »Da schmeißt du dich schon lieber auf Sonja!«, mutmaßte ich. Ich schaffte es nicht, ein Kopfschütteln zu verbergen. Doch es war eine amüsierte, keine verurteilende Geste.
    »Sie hat vor, in den Bergen auszuspannen. Massage, Wärmetherapie, Wellnessen halt. Das kommt mir gelegen, denn mir scheint, du brauchst dringend ein bisschen Abstand von mir und meinen Kunstwerken. Was liegt also näher, als mich mit Sonja zusammenzutun?« Mein Vater rieb sich vorfreudig die Hände.
    »Ja, was liegt näher.« Ich seufzte. Wie Recht mein Vater hatte. Die Vorstellung, mich ein paar Tage ohne ihn in meiner Wohnung zu bewegen, frei und zwanglos, und die Geschichte um Almut zu verdauen, kam mir wie ein Freifahrschein ins Vorzimmer des Glücks vor. Und wenn ich weiterdachte, fielen mir noch weit bessere Dinge ein. Vielleicht gab es bald ja ein erneutes Treffen mit Mark. Im Little paradise in town . Wie’s aussah, musste ich Sonja dankbar sein, dass sie auf die Idee verfallen war, es bei meinem Vater zu versuchen.
    Papa setzte sich auf den Rand der Couch, sah mich eindringlich an und klopfte mehrmals mit der flachen Hand auf die Sitzfläche, als sei ich sein Schoßhündchen, das er neben sich erwartete. Zum täglichen Kraulritual. »Setz dich, mein Kind. Höchste Zeit, dass wir mal etwas ausführlicher über dich reden. Seit ich hier eingezogen bin, kann ich nicht anders, als mir ab und an zwischen meinen kreativen Aktivitäten Gedanken über dich und dein unbewegliches Dasein zu machen.« Mein Vater seufzte schwer. »Nimm es nicht persönlich, aber du vermittelst mir das Gefühl, du seist ein Widerstandskämpfer in deinem eigenen Leben. Viel Arbeit, kaum Vergnügen, kein Mann.« Er hob alarmiert den Zeigefinger, so, als wolle er mich auf etwas besonders Schönes oder Wichtiges in der Wohnung aufmerksam machen, etwas, das mir bisher entgangen war. »Aber, und das freut mich angesichts dieser Tatsachen enorm, seit
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