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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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quälenden Minuten des Schweigens auf sie einzureden. Norma, die die ganze Zeit neben Almut saß, riss weit die Augen auf und sagte kein Wort. Ich sah ihr an, dass sie sprachlos vor dieser Geschichte kapitulierte. »Vier Wände, eine Tür und ein Schloss davor können das Eingeständnis der Schuld nicht abhalten. Die Nachbarn werden mit Fingern auf Sie zeigen und obszöne Sprüche auf Ihr Haus sprühen, um Sie aus der Reserve zu locken. Vor allem Menschen im näheren Umfeld wollen die Wahrheit hören und sie spüren irgendwann, wenn man sie belügt.« Ich sah Almut ernst an. »Es ist noch nicht zu spät«, sprach ich ihr gut zu. »Legen Sie ein Geständnis ab. Sie müssen das, was passiert ist, verarbeiten.«
    »Ich bin nicht schuldig«, spie Almut hervor. »Höchstens daran, mich in den falschen Mann verliebt zu haben. Aber dafür kann man nicht belangt werden, darauf steht keine Gefängnisstrafe, Frau Einsiedel«, sagte sie und sprach zum ersten Mal meinem Namen aus. »Kommt es eigentlich gut an, wenn man erfährt, dass Sie unser Kennen verschwiegen haben? Würde das nicht aussehen, als wollten Sie sich an mir rächen, Lea Einsiedel?« Sie hatte sich zu mir vorgebeugt und mir die Sätze flüsternd dargeboten. »Einmal groß neben mir rauskommen. Das ist es doch, worauf es dir ankommt oder etwa nicht?« Ich sah sie mit aufgerissenem Mund an und schwieg. Zum ersten Mal fehlten mir die Worte.

    Wenig später trat Frank in den Flur der Villa.
    Mit einem tristen Gesicht, in dem man alles ablesen konnte, erwartete ich ihn. »Sorry, der Fall Lohmann ist für die Akten. Da ist nichts mehr zu holen«, gestand ich bitter. Frank schaute mich mit trüben Augen an. »Du hattest versprochen, kein Schlachtfeld zurückzulassen, Lea.« Als wäre es nötig, mich daran zu erinnern.
    »Ich würd’s Platzker nicht übel nehmen, wenn er dir gehörig Dampf macht. Und du weißt, was so ein Statement von mir bedeutet. Platzker ist ein echtes Brechmittel und bis jetzt stand ich immer auf deiner Seite. Aber mit diesem Unsinn hier hab ich nichts zu schaffen und das weiß Platzker auch. Also wird er sich auf dich stürzen und ich kann und werde ihn diesmal nicht daran hindern.« Franks Blick lag abschätzig auf meinem, während er mit festem Schritt den Flur entlangzulaufen begann. Er war die Bulldogge, die sich jeden Moment auf die Beute stürzte. Heute würde ich weder die freundliche noch die gezähmte Seite seines Wesens präsentiert bekommen, sondern den schrecklichen Rest, der für Ärger, lange Diskussionen und Unverständnis stand. Es schien, als wolle mein Körper all die Anspannung vorwegnehmen, die mir noch bevorstand. Ich fühlte mich jetzt schon geprügelt und gedemütigt, ohne dagegen aufbegehren zu können. Almuts letzter Schachzug, unser Kennen von früher zur Sprache zu bringen und notfalls gegen mich zu verwenden, hatte mich nicht nur getroffen, es hatte mich aus der Fassung gebracht. Mit allem hatte ich gerechnet, damit nicht.
    Ich zog mich in die Küche der Villa zurück, während Frank zu Almut ging. Ich hielt den Kopf unter den aufgedrehten Hahn und spürte das kalte Wasser im Nacken, das mich hoffentlich aus diesem Alptraum wecken würde. »Scheiß auf dein verdammtes Selbstmitleid.« Ich hob den Kopf, trocknete mich mit dem Küchenhandtuch ab und schaute wütend aus dem Fenster. Der wunderschöne Park draußen, die Großartigkeit der Natur und vor allem meine Liebe zu Mark, das gab es noch immer. Ich musste lediglich aufhören, ständig allein für alles einstehen zu wollen. Niemand war in der Lage, die Verantwortung für die Untaten Fremder zu tragen. Auch ich nicht.
    Ich musste jetzt an mich denken.
    Frank kam in die Küche. Er hatte kurz mit Almut und Norma Thata gesprochen und zuckte die Schultern. Wir sahen uns an und plötzlich klopfte er mir auf die Schulter. Ich interpretierte es als seine Art, mir zu sagen, ich hab eben überreagiert, ich hab’s nicht so gemeint . »Es geht nicht nur um Verurteilung«, sagte ich. »Sie wird damit klarkommen müssen, am Tod zweier Männer beteiligt zu sein. Vielleicht ist das die größte Strafe überhaupt. Das Wissen, dass man sein Leben verwirkt hat. Egal, ob man dafür hinter Gitter kommt oder nicht.«
    »Ja, vielleicht«, gab Frank zu. »Aber bis es soweit ist, verhöre ich sie. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.« Er sah mich kämpferisch an und ging wieder hinaus.

Siebenundvierzig

    Als ich später ins Wohnzimmer kam, wo Frank Almut und Norma Thata in
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