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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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war zu spät. Eine Weile fingerte ich abwechselnd an Segeltau und Haken herum, so dass ich schon annahm, der Haken käme mitsamt Putzresten aus der Decke und zu meinen Füßen rieselte es Staub, körnigen Mörtel und Ziegelreste, bevor ich unter seiner Leiche begraben würde. Was ich tat, war unnötig. Der Tod war längst verlesen worden. Und obwohl ich das wusste, war ich unablässig tätig. Ich riss, zerrte und hievte ihn hoch. Ich versuchte, das Unmögliche möglich zu machen. Ich wollte Bogdan Ivanovic retten.
    Das Einzige, was mir gelang, war das Anbringen meiner Fingerabdrücke auf der Leiche. Als ich den Tod endlich begriff, sank ich zu Boden. Unter der Leiche Bogdan Ivanovics hockte ich wie ein Kind, das nicht wusste, was tun. Wut und große Einsamkeit ergriffen mich. Ein weiterer Mensch war umgekommen und ich hatte es nicht verhindern können. Ich schluchzte auf und hustete danach lange. Als es mir wieder besser ging, sah ich auf. Almut stand noch immer da, wo ich sie zuletzt gesehen hatte. »Wieso hast du das getan?«, wimmerte ich ihr entgegen. »Du hast ihn umgebracht!« Sie sagte nichts, sah mich nur an und ich griff nach meinem Handy und rief Frank Kasteins Nummer auf.

    Während ich auf Frank wartete, saß Almut mir gegenüber und kraulte sich armaufwärts. Ich forschte zwischen ihren zusammengezogenen Brauen und den aufeinander gepressten Lippen nach einer Regung, nach etwas wie Reue, spätem Entsetzen oder Trauer. Doch da war nur eine stumme Gleichgültigkeit, die sie nicht zur Schau trug, sondern die echt zu sein schien. Almut war einzig und allein mit ihrem Arm beschäftigt und beantwortete anfangs keine meiner Fragen. Vielleicht war es dem Gedanken an den Tod ihres Mannes zuzuschreiben, der sie davon überzeugt hatte, dass sie ihn doch liebte. Und diese Erkenntnis hatte zu einer neuen, schrecklichen Tat geführt. Dem Tod Bogdans.

    Später gab Almut endlich etwas zu Protokoll, nämlich, dass sie Bogdan Ivanovic ein Betäubungsmittel verabreicht habe, weil er sie mit all seiner emotionalen Kraft dazu genötigt hatte. Er habe Angst vor den Schmerzen, die ein Tod durch Ersticken ihm bereiten würde, gehabt und ihr sei nichts Anderes übrig geblieben, als ihm Folge zu leisen. Als ich sie fragte, ob Bogdan ihr Liebhaber gewesen sei, sagte sie trocken: »Ja, war er. Aber er hat meinen Mann erschossen, um mich für sich allein zu haben.« Ich schwieg betroffen. Was mich erschütterte, war die Selbstverständlichkeit, mit der sie das alles vortrug. Aus ihrem Mund klang der Tathergang wie die Zusammenfassung eines Romans, die sie einem Lehrer vortrug. »Er wollte mich als Besitz, nicht als Frau«, hatte sie angeführt und ich hatte genickt. Auf die Frage, ob er es gewesen sei, der sich an ihrem Körper vergangen hatte, mit viel zu vielen Tritten und Schlägen, die sie in Todesangst versetzt hätten, antwortete sie nur mit einem Nicken. Danach schluchzte sie plötzlich. Ein halb unterdrücktes, aber immer noch hörbares Schluchzen. »Was hätte jemand wie ich jemandem wie ihm entgegensetzen können?«, flüsterte sie und sah auf, um in meinen Augen danach zu forschen, wie die Aussage bei mir ankam. »Bogdan ist in der letzten Phase seines Lebens das Gewissen in die Quere gekommen. Am liebsten hätte er sich vor seinen eigenen Gedanken verkrochen. Grässlich war das.« Almut seufzte leise. Ich nahm ihr nichts davon ab, doch sie sprach weiter, als müsse sie alles auf einmal loswerden. »Man kann Gefühle nicht vorausplanen. Ein Plan ist immer nur ein Plan und niemals vorgezogene Gewissheit«, vertraute sie mir an, als seien wir da ganz einer Meinung. Ich wusste, dass jedes Wort gelogen war und auch, dass sie wusste, dass ich das dachte. »Haben Sie nichts von Bogdans Plan gewusst, Frau Lohmann? Sind Sie nicht mitschuldig an dem Ganzen?«
    Almuts weitere Worte waren wie ein seetüchtiges Schiff mit kompletter Mannschaft und bewährter Route. Sie wusste, dass Frank und ich ihr nichts beweisen konnten. Und das war das Einzige, worauf es ihr ankam.
    Vielleicht würde man sie aus Mangel an Beweisen freisprechen. Sie würde frisch aus dem Ei ihres neuen Lebens schlüpfen und einfach weitermachen. Die ersten Reste der Schale schüttelte sie bereits jetzt ab. Almut spielte die Rolle der Witwe perfekt.
    »Was hier in den letzten Stunden passiert ist, wird Sie Nacht für Nacht heimsuchen und in Geiselhaft nehmen, Frau Lohmann. Wollen Sie in diesem Prachtbau wirklich Ihr Gefängnis finden?«, begann ich nach langen,
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