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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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wedelte mit der Hand Richtung Treppe. »Rauf mit Ihnen. Gehen Sie nur. Es ist dasselbe Zimmer wie beim letzten Mal.« Ich nahm sofort die Treppe in Angriff. Stufe um Stufe. Wenn Betsys Reden bedeutete, was ich vermutete, wartete oben Mark auf mich. Woher wusste er, dass ich hierher kommen würde?

    Wir hatten das Hotel verlassen und standen eng aneinandergepresst in einer dieser Boxen, in der man Passfotos machen konnte. »Dass es die noch gibt?«, wunderte ich mich und kicherte. Das letzte Mal, als ich in so was ausgeharrt hatte, war ich sechzehn oder so gewesen. »Grimassenschneiden gilt nicht«, sagte Mark gespielt ruppig. »Bleib ernst, sonst wirkt es unseriös.« Wenn mir jemand so kam, musste ich erst recht lachen. Und wie zu erwarten, waren die nächsten zwei Minuten verloren. Zumindest für die Fotos. »Bestimmt willst du eins im Silberrahmen im Wohnzimmer aufstellen. Schon, um deinen Vater zu ärgern.«
    »Cheese!«, rief ich laut und kicherte erneut. Ich hatte Marks Hand ergriffen, drückte sie fest und lächelte gleichzeitig. »Du bist unfair«, gluckste ich dann und küsste Mark fest auf die Wange. »Vermutlich können einem Geist Fotos nichts anhaben. Mir allerdings …?« Mark unterbrach mich. »Du allerdings musst jetzt ein Leben lang mit solchen Schnappschüssen leben. Hast du eigentlich schon immer so ein Gesicht gehabt.« Ich knuffte Mark in die Seite, weil er mich die ganze Zeit aufzog. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie früher, als ich noch zur Schule ging. Mark und ich waren zwei Verschwörer des Glücks und wir genossen es einfach.
    Als wir uns beruhigt hatten, schafften wir noch gut ein Dutzend Fotos. Mit engelhafter Ausdauer blickten wir in die Kamera. Erst zum Schluss zogen wir noch mal Grimassen, dass es ärger nicht ging.
    Als wir mit den Fotos in der Hand zum Hotel gingen, sah Mark mich auf eine Weise an, die ich noch nie an ihm gesehen hatte. Sein Gesicht spiegelte die Grenzenlosigkeit des Universums. »Lass uns die nächsten Stunden schwänzen, Lea«, schlug er vor und küsste mich mit soviel Zartgefühl, dass ich spürte, wie mir die Tränen kamen.
    Er schob mich von sich weg und sah mich an, als wolle er die Antwort auf seine Frage aus meinen Augen ablesen. »Hast du auch so eine Idee, wir sollten den Tag überraschen, bevor er es tut?«, spornte Mark mich an. Ich nickte heftig, obwohl ich keinen Moment darüber nachgedacht hatte. Ich hatte überhaupt nichts gedacht. Eine seltene Ausnahme. Doch jetzt, als Mark den Gedanken aussprach, kam er mir völlig logisch vor. »Was hältst du von einem 5-Gänge-Menü irgendwo in der Nähe? Als Auftakt zu etwas, dessen Fortgang wir beide nicht kennen.«
    »Wenn wir den 6. Gang im paradise nehmen, bin ich einverstanden«, schlug ich frech vor. Mark küsste mich auf die Stirn und legte den Arm um mich und so schlenderten wir drauflos.
    Später würde ich in unserem kleinen Hotel in Marks Armen liegen und wir würden uns zu den Klängen der Beatles lieben. Love is all you need. Ich schwelgte in Vorfreude. Doch dann stahl sich ein unliebsamer Gedanke in meine Freude. Was geschähe morgen, nächste Woche und nächstes Jahr?
    »Kannst du dir vorstellen, dass das paradise unser Zuhause wird, Lea?« Mark war vor einer Ampel stehen geblieben und ich mit ihm. Er sah mich auffordernd an. »Unser Zuhause?«, wiederholte ich. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Wie konnte er diesen Satz nur gemeint haben? »Wir könnten uns dort treffen, wann immer es uns möglich ist«, schlug Mark vor und scheuchte dabei eine Fliege von meiner Nase, die mich ordentlich gekitzelt hatte. Stumm vor Staunen stand ich neben ihm. »Wie lange kannst du denn in deinem Körper bleiben?« Das war für mich die alles entscheidende Frage. »Jedes Mal solange, bis ich dich glücklich sehe. Reicht dir das? Und alles andere ist Schicksal, Lea.«
    Weshalb dachte ich jetzt schon an Jahre, die irgendwann einmal auf mich zukämen, anstatt im Augenblick zu schwelgen? Das Glück stand an meiner Seite. Ich hatte es bereits erkannt und musste es nur noch würdigen. Damit wäre mein Part erledigt.
    Die Ampel sprang auf grün. Ich sank in Marks Arme und küsste ihn, während uns Passanten kichernd, schimpfend, aber auch Worte der Zustimmung rufend, umrundeten. Während der Strom Menschen die Straße überquerte, presste ich meine Lippen auf Marks und spürte, wie sehr Liebe mich wärmte.
    Das Glück fuhr in meinen Körper und richtete mich neu aus. Alles auf Start.
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