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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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verliebt, weil ich es wollte. Dass es so leicht war – nur zulassen –, hatte ich nicht gewusst.

Neunundvierzig

    Ich wachte früh am nächsten Morgen auf, erstaunt darüber, dass ich lange und vor allem gut geschlafen hatte. Nachdem ich aufgestanden war, zog ich die Vorhänge zur Seite und blickte aus dem Fenster in den dunstigen Himmel. Der Tag versprach, schön zu werden. Das hatte die Wettervorhersage gestern prognostiziert. Ich spürte, wie stark ich mich fühlte. Energiegeladen wie schon lange nicht mehr. Mir fiel Mark ein und das Lächeln, das darauf folgte, gelang mir spielend leicht. Doch dann verdrängte Almut Marks Gesicht. Ich konnte nichts dagegen tun, der Gedanke, dass ihre Tat, der Tod Bogdan Ivanovics, vielleicht niemals gesühnt werden würde, ließ mich noch immer nicht los.
    »Es ist nicht deine Aufgabe, zu verurteilen sondern zu verzeihen, Lea!«, hörte ich Mark unerwartet zu mir sprechen. Es war nicht nötig, mich umzudrehen, denn ich wusste, dass er nicht da war, sondern nur mit mir sprach. Das letzte Mal, als wir Kontakt miteinander gehabt hatten, war er greifbar für mich gewesen. Ein Mann, den ich anfassen und lieben konnte und der zu meinem Liebhaber geworden war. Dass ich jetzt nur seine Stimme hörte, kränkte mich. Es war so, als würde er die Umarmungen des letzten Mals zurücknehmen. Ich unterdrückte die Sorge, dass unser »Ausreißer«, die Nacht in dem kleinen Hotel, eine einmalige Sache gewesen war. Darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken, denn es wäre zu schmerzlich für mich. Ich nahm mir vor, Mark unbefangen zuzuhören. Doch als er schwieg, begann schließlich ich zu sprechen.
    »Was ist mit Buße, mit dem Abtragen von Schuld?«, gab ich zu bedenken, während ich leise das Fenster schloss, das ich zum Lüften geöffnet hatte.
    »Schuld kann man nur abtragen, wenn man Einsicht zeigt, aber niemals indem man in einem Gefängnis ausharrt, Lea. Almut Lohmann wird in Freiheit weiterleben und wir können nur hoffen, dass sie eines Tages erkennt, wie zerstörerisch Hass ist. Es ist wichtig, dass sie sich selbst vergibt und ihr Herz mit Gedanken der Liebe durchtränkt, damit sie erkennt, dass sie betrogen wurde, weil sie selbst betrügt. Alles hat seinen Ursprung im eigenen Herzen.«
    Plötzlich spürte ich, dass Mark sich nicht weniger nach mir sehnte, als ich mich nach ihm. Ich hörte es aus seiner Stimme heraus, die weniger fest klang als gewöhnlich. Er hielt nach einer erneuten Berührung meiner hungrigen Hände Ausschau, wie ich nach einer durch seine. »Die Liebe kann manchmal wie ein Schlag sein, von dem man sich nie wirklich erholt, Mark«, brach es aus mir heraus. Das war der Satz, nach dem Almut bisher gelebt hatte und den ich ebenfalls seit meiner Jugend kannte. Eine Einstellung, die aus einem Gedankenkonstrukt geboren war und nicht aus der Weite der Liebe.
    Doch jetzt waren solche Überlegungen zu eng für mein Herz geworden.
    Ich sah Mark und mich auf einer Wiese liegen, irgendwo außerhalb der Stadt. Gedanklich öffneten sich meine Lippen weit für seine. Ich fühlte, wie sich sein gut temperierter Speichelfluss in mich ergoss. Ich schluckte ihn gierig hinunter, während die Sonne meinen Rücken beschien und wärmte.
    Während ich Marks Lippen, die wie köstlicher Nektar schmeckten, in mich hinein sog, und mir alles mögliche mit ihm vorstellte, überkam mich ein überwältigendes Gefühl der Freiheit, das ich nie zuvor derart intensiv gekostet hatte. Als ich mich später umdrehte, um mich anzuziehen, spürte ich, dass Mark fort war. Ich wunderte mich nur kurz darüber, dann schlüpfte ich in Jeans und Bluse, zog meinen Lieblingsblazer über und verließ die Wohnung. Draußen stieg ich in meinen Wagen und fuhr los. Ich wusste, wo ich hin wollte. Zu Almut.

    Ich parkte drei Häuser von der Villa entfernt. Als ich aus dem Wagen stieg, waren meine Beine weich. Ich ging vorsichtig den Gehweg entlang, froh darüber, dass sie nicht nachgaben und ihren Dienst taten. Ich hatte keine Ahnung, was ich bei Almut suchte, ob ich klingeln würde und sie mich überhaupt hineinließ. Ob sie überhaupt da war oder noch auf dem Revier? Alles was ich wusste, war, dass ich sie noch einmal sehen wollte. Als ich die Länge ihres Gartens vom Gehweg aus abschritt, sah ich sie durch die Zweige der Bäume hindurch. Ihr schattenhafter Umriss war immer mal wieder durch Lücken in der Bepflanzung zu sehen.
    Ich blieb stehen und schaffte mit meinen Händen ein kleines Sichtfeld. Eine Lücke,
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