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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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gerade groß genug für ein hastiges Hindurchschauen. Almut ging auf der Terrasse, die zur Straße hin angelegt war, hin und her. Das Gesicht undurchschaubar ernst. Sie war allein. Ich beobachtete eine Weile, wie sie auf und ab ging und nichts tat. Sie ging einfach. Ich blieb stehen, wo ich war und schaute fasziniert zu ihr hin.
    Nach einer Weile fragte ich mich, wo die selbstsichere Almut von früher geblieben war. Was ich hier sah, war eine Frau, die nichts in mir auslöste, bis auf das normale Gefühl des Interesses, das man üblicherweise aufbringt, wenn man weiß, dass man jemanden heimlich beobachtet.
    Früher hatte ich immer mit Almut tauschen wollen. Der Ursprung war ein verzehrendes Gefühl gewesen, dass ich selbst nicht genug war und ein Leben in Almuts Körper entschieden besser sei.
    Ich hätte mein ich jeden Tag neu für Almut aufgegeben, obwohl wir keine Freundinnen waren, jedenfalls keine wirklichen. Sie hatte vermutlich noch nicht mal etwas von meinen Empfindungen geahnt. Ich hatte für sie geschwärmt und mich zum Fan degradiert, der unten blieb, während das Idol oben lebte.
    Heute wusste ich mehr übers Leben, aber es blieben immer noch genug Fragen, die es einem schwer machen konnten. Was zählte, war, dass man etwas spürte und dazu stand. Ich lebte und machte meine eigenen Fehler. Ich lebte ein Leben, das es so nur ein einziges Mal gab. Mein Leben.
    Ich wusste plötzlich, weshalb ich hergekommen war. Nämlich um Abschied von Almut und meiner Vergangenheit zu nehmen – einem Stück Lea von damals. Ich ließ die Äste des Strauchs zusammenschnellen und da sah sie mich. Sie blickte zu mir hinüber, fragend, irritiert. Ich wusste, dass sie niemanden mehr hatte. Noch nicht mal sich selbst. Es machte mich traurig, doch ich zwang mich, das Gefühl loszulassen. Es war nicht meins, es war ihres. Ich nickte ihr zu, ging auf die andere Straßenseite und endgültig davon.

Fünfzig

    Ich hatte die Oper hinter mir gelassen und hielt wenige Meter vorm Little paradise in town . Der Wagen hatte wie von selbst sein Ziel gefunden. Als ich ausstieg, roch die Luft nach Salz und Abgasen, aber auch nach etwas Undefinierbarem, das mir gefiel. Ich schlenderte auf das Hotel zu, froh dort zu sein, wo ich war. Als ich vor der Ziegelfassade stand, zögerte ich, doch dann gab ich mir einen Ruck und betrat die Halle. Drinnen war es, im Gegensatz zu draußen, angenehm kühl. Ich ließ die kleine Halle auf mich wirken. Den Karostoff, mit dem die Wände ausgekleidet waren, very british, und das cognacfarbene Ledersofa, das von einer altmodischen Stehlampe bewacht wurde und an der Stirnseite des Raums stand. Über dem Ensemble hingen zwei Gemälde in Öl. Darauf waren Hügel, Wälder und Tiere abgebildet. Betsy, die Chefin, kam aus der Küche. Sie hatte ein Handtuch umgebunden und wirbelte auf mich zu. »Ah, was für eine Überraschung. Ihr Mann kennt Sie anscheinend sehr gut. Wie aus dem Effeff.« Sie begrüßte mich, als kenne sie mich seit Jahren, blieb vor mir stehen und tätschelte mir die Wange. »Mein Mann …?«, fragte ich verwundert. Sie sagte nichts weiter darauf, sondern zwinkerte mit den Augen und wischte sich die Hände in das Tuch. »In der Küche wird gebacken. Apple-pie. Riechen Sie es?« Ich nickte. Es roch herrlich. »Ihr Mann meinte, sie kommen im Laufe des Tages vorbei, aber dass es so schnell geht, das hab ich nicht gedacht.« Sie lachte übers ganze Gesicht, als erinnerte sie sich durch unsere Geschichte, meine und Marks, an ihre eigene Liebe. Ganz zu Anfang. »Ich gönne Ihnen Ihr Glück. Es steht Ihnen ausgezeichnet!«, erzählte Betsy und dann hob sie den Finger, damit ich aufmerkte. Im Hintergrund liefen die Beatles. Love is all you need ! Ich lächelte gerührt und Betsy drehte sich um, machte sich lang und drückte die Tischklingel. Ihr Mann erschien prompt. Er kam von unten aus dem Keller mit einer angestaubten Flasche in der Hand. Er pustete den Staub vom Glas und seufzte, als habe er einen schwierigen Auftrag doch noch lösen können. Nach diversen Anfangsschwierigkeiten. »Kommt selten vor, dass jemand den besten Wein verlangt, den ich im Keller habe.« Betsy schlug ihrem Göttergatten auf den Mund. Eine kurze, wenig schmerzhafte aber wirksame Geste. »Verräter!«, schimpfte sie mit funkelndem Blick. Er schien zu verstehen und hielt sich wie ein kleines Kind, das ertappt worden ist, den Mund zu. »Sorry, ich schaffe es mal wieder, alles herauszuplappern.« Betsy überging seine Ansage und
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