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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
Autoren: Frau Freitag
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schreiben?«
    »Ach, Schantalle, das wird sooo einfach, und du fühlst dich ja die ganze Zeit unterfordert. Das machst du doch mit links.«
    Schantalle: »Ja, ist ja jetzt auch nicht wegen mir, aber die anderen haben nicht gelernt.«
    Und dann zu Beginn der Stunde: »Frau Freitag, gucken Sie mal, keiner hat gelernt, und Sie wollen doch, dass alle eine gute Zensur schreiben. Wir könnten doch den Test nächste …«
    »Du, mir persönlich ist es egal, was ihr für Zensuren schreibt, ich möchte vor allem jetzt den Test schreiben lassen.«
    »Aber wie kann Ihnen das denn egal sein? Sie sind doch die Lehrerin, und Sie bringen uns doch was bei, und wenn alle eine Fünf schreiben, dann sind Sie doch dafür verantwortlich.« Blöde Schnalle, wie kommt die mir denn? Ich bin doch nicht dafür verantwortlich, wenn die nicht lernen.
    Gnadenlos habe ich die Blätter verteilt und getestet. Zumindest haben sie gelernt, dass ich mich nicht bequatschen lasse. Und darauf bin ich sehr stolz. Hätte jemand anderes als Schantalle gefragt, ich hätte den Test wahrscheinlich sogar verschoben.
    Meine Klasse spielt draußen mit Ballons
    Neulich war ich mit meinen Schülern auf einer Messe, auf der sich mehrere Ausbildungsbetriebe vorgestellt haben. Das war sehr interessant. Draußen gab es so Spiel- und Spaß-Kram für Kinder, mit Luftballons und Dosenwerfen, Glücksrad-Drehen und so. Und drinnen waren dann die Betriebe mit ihren Ständen und haben auf Fragen zur Ausbildung ganz konkrete Antworten gegeben. Die waren alle total nett. Es gab die Meister, die Azubis und sehr viele Informationen. Es gab sogar richtige Adressen, wo man sich bewerben kann.
    Und was es noch gab … ganz viele Lehrer wie mich, die rumrannten, Faltblätter sammelten und sich die unterschiedlichsten Berufe erklären ließen, weil die lieben Kleinen, die sich eigentlich dafür interessieren müssten, ja draußen mit Luftballons spielten und sich schlechte Tanzgruppen ansahen.
    Aber was wäre ich denn für eine Lehrerin, wenn ich mir nicht bereitwillig alles anhören würde: »Ach ja, okay, erklären Sie mir doch bitte, wie man Parkettleger und Isolierfacharbeiter wird.« – »Ah, Zerspanungsmechaniker, soso, drei Jahre Berufsschule …«
    Mir brummte ganz schön der Schädel, weil ich mir ja alles merken musste, um es später meinen Schülern zu erzählen. Jedem Einzelnen. Ach, Abdul wollte doch zur Polizei, die sitzt dahinten … Und Samira ist zwar nicht mehr in meiner Klasse, aber die wollte doch Flugbegleiterin werden, ich frage die Frau da drüben mal, wie das geht.
    Kein Einziger meiner Schüler hat sich blicken lassen. Und hat es mich gewundert? Überhaupt nicht. Hat es mich gestört? Irgendwie auch nicht. Wie ein fanatischer Sammler habe ich jede Broschüre an mich gerissen und in meinen Beutel gesteckt. An manchen Ständen gab es auch Kugelschreiber und Schlüsselanhänger, aber selbst nachdem ich mir stundenlang vom stotternden Azubi den Beruf des Betongießers hatte erklären lassen, habe ich mich nicht getraut, nach einem Gratisstift zu fragen. Auch den Kaffee und Kuchen der katholischen Altenpflege habe ich nur angestarrt, während ich nach der Möglichkeit fragte, die Ausbildung mit Kopftuch zu absolvieren. Die Nonnen waren nett, aber haben sie mir einen Kaffee angeboten? Nein. Und darf man ein Kopftuch tragen? Nein, Doppel-Nein!
    Meine erbeuteten Infoschätze habe ich bei dem sehr netten Mann eines großen Discounters zwischengeparkt. Am Ende hatte ich zwei fette schwere Taschen mit ALLES, WAS ES GIBT drinne. Damit bin ich dann nach Hause gedackelt. Mein Kreuz tat weh, aber ich war glücklich.
    Der Mann vom Discounter fragte mich, als ich meine Beute abholte, ob das für meine Kinder sei.
    »Sie glauben doch nicht, dass meine Kinder nicht wüssten, was sie mal machen sollen?! Das ist für meine faule Loserklasse, von denen noch keiner weiß, was er werden will. Das schleppe ich für die in die Schule. Die sind ja draußen und spielen mit den Ballons. Ich habe sogar zwanzig Hausaufgabenhefte für die ergattert.«
    »Na, hoffentlich lesen die das dann auch.«
    »Dafür werde ich sorgen – darauf können Sie Gift nehmen, dass die das lesen. Die werden jeden einzelnen Flyer auswendig lernen müssen. Und sich bei mindestens zwanzig Unternehmen bewerben. Wer soll denn sonst später meine Rente zahlen?«
    Und genau so werde ich das machen. »Keiner geht, bevor nicht die wöchentlichen drei Bewerbungen bei mir abgegeben wurden!«
    Abo, voll schööön!
    So,
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