Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lewis, CS - Narnia 5

Lewis, CS - Narnia 5

Titel: Lewis, CS - Narnia 5
Autoren: Die Reise auf der Morgenroete
Vom Netzwerk:
 
    Das Bild im Schlafzimmer
     
    Es war einmal ein Junge namens Eustachius Knilch, und diesen Namen hatte er fast verdient. Seine Eltern nannten ihn Eustachius, und seine Lehrer nannten ihn Knilch. Ich kann euch nicht sagen, wie ihn seine Freunde nannten, denn er hatte keine. Seinen Vater und seine Mutter nannte er nicht »Vater« und »Mutter«, sondern Harold und Alberta. Es waren sehr moderne und fortschrittliche Leute. Sie waren Vegetarier, Nichtraucher und Antialkoholiker, und sie trugen eine besondere Art Unterwäsche. In ihrem Haus gab es sehr wenig Möbel, auf den Betten lagen sehr wenig Decken, und die Fenster waren immer offen.
    Eustachius mochte gerne Tiere–vor allem Käfer, wenn sie tot und auf Karton aufgespießt waren. Er mochte gerne Bücher, wenn es Sachbücher waren und wenn sie Bilder von Getreidehebern enthielten und von dicken ausländischen Kindern, die in Modellschulen unterrichtet wurden.
    Seine Cousins und Cousinen, Peter, Suse, Edmund und Lucy, mochte Eustachius nicht. Aber er war froh, als er hörte, daß Edmund und Lucy zu einem längeren Besuch kommen sollten. Denn im geheimen liebte er es, andere herumzukommandieren und zu schikanieren; und obwohl er ein schwächlicher kleiner Kerl war, der in einem Streit nicht einmal mit Lucy–und noch viel weniger mit Edmund–fertig geworden wäre, so wußte er doch, daß es Dutzende von Möglichkeiten gab, andere zu ärgern, wenn man bei sich zu Hause war und die anderen nur auf Besuch.
    Edmund und Lucy hatten überhaupt keine Lust, bei Onkel Harold und Tante Alberta zu bleiben. Aber es gab wirklich keine andere Möglichkeit. Vater hatte für diesen Sommer eine viermonatige Lehrtätigkeit in Amerika übernommen, und Mutter wollte ihn begleiten, weil sie seit zehn Jahren keinen richtigen Urlaub mehr gemacht hatte. Peter bereitete sich gerade sehr intensiv auf ein Examen vor und sollte dabei in den Ferien von dem alten Professor Kirke unterstützt werden, in dessen Haus die vier Kinder vor langer Zeit, während der Kriegsjahre, wunderschöne Abenteuer erlebt hatten. Wenn der Professor noch immer in diesem Haus gelebt hätte, dann würde er alle miteinander eingeladen haben. Aber er war inzwischen verarmt und wohnte in einem kleinen Haus, in dem nur ein einziges zusätzliches Zimmer zur Verfügung stand. Es hätte zuviel Geld gekostet, die drei Kinder nach Amerika mitzunehmen, deshalb war nur Suse mitgekommen. Die Erwachsenen hielten sie für die hübscheste der Familie, und sie war nicht gut in der Schule (obwohl sie sonst für ihr Alter schon recht erwachsen war), und Mutter sagte, sie hätte sehr viel mehr von einer Reise nach Amerika als ihre jüngeren Geschwister. Edmund und Lucy bemühten sich, Suse um ihr Glück nicht zu beneiden, doch es war schrecklich für sie, daß sie die Sommerferien bei ihrer Tante verbringen mußten. »Aber für mich ist es viel schlimmer«, sagte Edmund, »weil du wenigstens ein eigenes Zimmer hast, während ich meines mit diesem Oberstinker Eustachius teilen muß.«
    Die Geschichte beginnt an einem Nachmittag, an dem Edmund und Lucy ein paar kostbare Minuten allein verbrachten. Und natürlich redeten sie über Narnia. So hieß nämlich ihr ureigenstes, privates und geheimes Land. Ich nehme an, daß wir fast alle ein geheimes Land haben, aber für die meisten von uns existiert es nur in der Vorstellung. Edmund und Lucy hatten in dieser Hinsicht mehr Glück als andere. Ihr geheimes Land gab es wirklich. Sie waren schon zweimal dort gewesen, nicht im Spiel oder im Traum, sondern richtig. Natürlich waren sie durch Zauberei hingelangt, denn das ist die einzige Möglichkeit, Narnia zu erreichen. Und in Narnia war ihnen versprochen worden – oder zumindest fast –, daß sie eines Tages zurückkommen würden. Ihr könnt euch vorstellen, daß sie oft darüber redeten, wenn sie Gelegenheit dazu hatten.
    Sie waren in Lucys Zimmer, saßen auf dem Rand ihres Bettes und schauten auf ein Bild an der gegenüberliegenden Wand. Es war das einzige Bild im Haus, das ihnen gefiel. Tante Alberta gefiel es überhaupt nicht (deshalb hing es hier in dem kleinen Hinterzimmer im oberen Stock), aber sie konnte es nicht wegwerfen, weil es ein Hochzeitsgeschenk von jemand gewesen war, den sie nicht verletzen wollte.
    Es war das Bild eines Schiffes–und wenn man vor dem Bild stand, dann segelte das Schiff fast kerzengerade auf einen zu. Der Bug war vergoldet, und er war geformt wie ein Drachenkopf mit weitoffenem Maul. Das Schiff hatte nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher