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Voll daneben

Voll daneben

Titel: Voll daneben
Autoren: K. L. Going
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ob wohl alles anders verlaufen wäre, wenn ich mir mehr Mühe gegeben hätte.
    Als ich einen Blick aus dem Fenster werfe, sehe ich Moms Auto vor dem Haus. Sie wartet darauf, dass ich meinen letzten Koffer herunterbringe. Ich überlege gerade, was man in einem Wohnwagenpark eigentlich anzieht, und als ich mich umdrehe, um ein paar Klamotten aus der Kommode zu holen, sehe ich Dad im Türrahmen stehen.
    »Liam«, sagt er.
    Ich blicke nicht auf, sondern falte die Kleidungsstücke genauso sorgfältig wie ich es tue, wenn ich Mom in der Boutique helfe.
    »Du weißt, dass es das Beste ist, oder?«
    Ärmel nach hinten, Falten glatt streichen, die Bügelfalten übereinanderlegen.
    »Es tut mir leid, dass es so weit kommen musste.«
    Eine lange Schweigepause entsteht, während ich zusammenfalte und Dad mir dabei zusieht. Ich wünschte, das wäre das Ende des Liedes, denn das wäre wenigstens ein anständiges Endegewesen. Nicht toll, aber anständig. Aber wie immer vermassle ich alles.
    »Mir tut es auch leid«, sage ich. »Vielleicht bessere ich mich, wenn ich bei Pete wohne. Ich werde wirklich versuchen, mich von jetzt an anders zu benehmen, und ich glaube, das schaffe ich auch ...«
    Dads Gesichtsausdruck verändert sich.
    Zuerst weiß ich gar nicht, was ich Falsches gesagt habe. Also durchsuche ich wie immer voller Panik mein Gedächtnis. Dann macht es Klick.
    Verflucht .
    Er wusste es noch gar nicht.
    » Was hast du gerade gesagt? «
    Dad kommt mit großen Schritten auf mich zu, und unwillkürlich weiche ich zurück.
    »Ich ... äh ... ich habe bloß gefragt ...«
    »Liam«, fordert er mich auf, »spuck es aus. Sofort .«
    »Ich habe Pete gefragt, ob ich bei ihm wohnen könnte, und er hat Ja gesagt, und deswegen bringt Mom mich jetzt zu ihm.«
    »Sie bringt dich zum Flughafen«, sagt er. »Ich habe sie gebeten, dir ein Flugticket nach Nevada zu kaufen. Ich habe schon alles mit deinen Großeltern besprochen.«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Sie hat das Ticket nicht gekauft.«
    Dads Gesicht läuft dunkelrot an.
    »Wie konntest du nur?«, fragt er und ringt nach Luft. »Hast du versucht, das zu finden, womit du mich am meisten verletzen kannst? Du musst dir eine Menge Gedanken gemacht haben.«
    In seiner Stimme liegt ein spöttischer Unterton, und ich weiß nicht, ob er damit andeuten will, dass ich böse und rachsüchtig bin, oder dass ich zu blöd bin, daran zu denken – oder beides. Amliebsten würde ich ausplaudern, dass es Moms Idee war. Glaubt mir, ich würde es sooo gern sagen, aber ich tue es nicht.
    »Dad, ich kann nicht bei Gram und Gramps wohnen. Sie sind so weit weg in Nevada, und sie mögen mich noch nicht mal. Wo soll ich denn sonst hin?«
    Ich stammle die Worte, und Dad tritt noch einen Schritt näher. Er spricht ganz langsam und betont jedes Wort. »Wenn du glaubst, dein Onkel könnte dir irgendwas geben, was ich dir nicht gegeben habe, irrst du dich gewaltig.«
    Seit Jahren waren wir uns körperlich nicht mehr so nahe, und ich spüre Dads Atem im Gesicht. Auch wenn er mich noch nie geschlagen hat, warte ich darauf, dass seine Faust von hinten nach vorne schnellt und mir einen Schlag verpasst, doch in der letzten Sekunde tritt Dad einen Schritt zurück. Dieser Schritt befreit meine gelähmte Zunge.
    »Es tut mir leid«, sage ich hastig. »Es tut mir wirklich leid. Ich wusste zwar, dass es dir nicht recht wäre, aber ich wusste nicht, dass es eine so große Sache ist. Ehrlich. Wenn ich gewusst hätte, dass es dich so aufregen würde, dann hätte ich es nicht getan. Ich brauchte bloß einen Ort, wo ich unterkommen kann, und ...«
    Dad schüttelt den Kopf. Er mustert mich kalt, und obwohl ich zugeben muss, dass ich ihm schon mindestens achthundert wertlose Ausreden geliefert habe, meine ich diese Entschuldigung ernst. Ich habe wirklich nicht gewusst, dass er sich so darüber ärgern würde. Ich dachte, er würde nur sauer sein wie immer, also sei es sowieso egal.
    Aber da habe ich mich geirrt.
    »Liam«, sagt Dad, bevor er aus meinem Zimmer stürmt und die Tür hinter sich zuschlägt, »du wirst nie aufhören, mich zu enttäuschen, oder?«

7
    ALSO SITZE ICH JETZT IN MOMS KLEINEM ROTEM CABRIO, meine ganzen Sachen sind hinten verstaut, und ich bin auf dem Weg in ein neues Leben, das ich gar nicht will. Mom fährt und redet dabei ununterbrochen. Sie erzählt mir, wie viel Spaß sie früher mit Tante Pete und seiner Glam-Rock-Band hatte, als sie noch auf dem College waren.
    Na, und wenn schon.
    Ich denke über Dad
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