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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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tatsächlich gegen Eindringlinge ab. Er nahm immer die gesamte Breite des Grundstückes ein, man konnte sich also nicht an ihm vorbeidrücken. Dazu hätte man über das Nachbargrundstück gehen müssen, aber von denen waren alle Höfe wiederum durch hohe Mauern getrennt. Und die großen hinteren Schiebetore waren so massiv, dass es für potenzielle Einbrecher garantiert kein Durchkommen gab.
    Außer, man wusste was. Und Suchanek wusste was.
    Den Punkt, an dem er mit dem Spaten ansetzen musste, der immer hinten in dem für einen mit der Scholle ja an sich in Liebe verbundenen Bauern erstaunlich kleinen Gemüsebeet steckte, diesen Punkt hatte ihm der Andi vor zwanzig Jahren beim Spielen gezeigt. Dort, wo es ein großer Rollschotter-Stein beim Betonieren des Bodens irgendwie geschafft hatte, an der Oberfläche zu bleiben, genau dort musste man den Spaten unter das Tor schieben und kräftig anheben, dann sprang innen der Schließhaken aus seiner Öse. Natürlich war das nicht unbedingt die feinste Art, ein fremdes Anwesen zu betreten. Aber dessen Besitzer hatte es schließlich beim Haus von Suchaneks Eltern ganz ähnlich gemacht.
    Suchanek schob das schwere Tor unter Aufbietung all seiner bescheidenen Kräfte gerade so weit auf, dass er durchschlüpfen konnte, und unterdrückte einen Schmerzensschrei, als er seinen geprellten Brustkorb durchquetschte. Dann überlegte er: Wenn er vielleicht schnell wieder wegmusste, konnte es sich als günstig erweisen, das Tor offen zu lassen. Wenn aber jemand im Hof war und nur einen einzigen Blick nach hinten warf, konnte er bei der enormen Höhe des Tores beim besten Willen nicht übersehen, dass es offen stand. Also machte Suchanek es wieder zu und ging hinter der Strohpresse in Deckung.
    So. Und jetzt?
    Irgendwo hier musste der Gärtner Bertl sein. Der Mörder hatte nur ganz wenig Vorsprung gehabt, als nach dem Ende der Autoweihe praktisch das ganze Dorf angefangen hatte, den Bertl zu suchen. Also wo hätte er ihn schon groß hintun können? Wenn er ihn ermordet und irgendwo abgelegt hätte, wäre die Leiche mit Sicherheit schon gefunden worden. Am wahrscheinlichsten war, dass er ihn zu sich nach Hause gebracht hatte, um ihn hier so lange zu verstecken, bis er ihn wieder unbeobachtet loswerden konnte. Also hierher.
    Suchanek hatte auf genau diesem Bauernhof früher oft Verstecken gespielt. Er wusste daher, wie viele Kammern und Ecken und Dachböden es hier gab. Ob es dem ORF   2 allerdings noch etwas nützen würde, wenn er ihn fand? Ob er nicht sowieso schon tot war?
    In Suchaneks Ohren rauschte die Donau. Dass da neben dem Tinnitus überhaupt noch Platz war. Was zur Hölle machte er überhaupt hier? Allein noch dazu? Wo war der Keller Gerry mit seinem Gewehr, wenn man ihn einmal brauchte? Wo war die Polizei? Wählte man da dasselbe wie in der Stadt, wenn man die brauchte, also … keine Ahnung, was?
    Und hätte es eventuell geholfen, wenn man sein Handy nicht zu Hause gelassen hätte? Und darüber hinaus vielleicht auch noch nicht zugekifft gewesen und auf nicht ganz so depperte Ideen verfallen wäre?
    Niemand konnte ihm einen Vorwurf machen, wenn er jetzt wieder umdrehte, nach Hause ging, sich gemütlich den Joint ansteckte, den er in der Tasche hatte, weil man ja nie wusste, was so ein Spaziergang alles bringen konnte, sich in die Hängematte legte und den Hund streichelte. Einfach raus aus dem Stadl, warten, bis der depperte Wimmer endlich merkte, dass er den Falschen erwischt hatte, seine Zähne aus dem Hals vom Neuner zog und hier einmarschierte. Und wenn der Bertl dann schon tot war, na ja, blöd.
    Und selber schuld, eigentlich. Der Bertl war ja nicht zufällig entführt worden. Er hatte Scheiße gebaut, so viel stand fest. Und da konnte man wirklich nicht erwarten, dass der Suchanek einfach so im Kaltstart-Modus den Helden spielen. So eine Rolle sollte man vorher doch wenigstens einmal geprobt haben. So method-acting-mäßig. Und auf gar keinen Fall würde der Hauptdarsteller die Stunts selber machen.
    Doch dann meldete sich wieder Suchaneks ausgeprägtes schlechtes Gewissen. Der ORF   2 . Ausgerechnet. Die arme Sau. Er warf sich auf den Bauch, robbte unter den Traktor und spähte schulmäßig unter der Kurbelwelle hervor. Im Hof war niemand zu sehen. Wo sollte er beginnen zu suchen? Wenn der Bertl im Haus war, konnte Suchanek ihm nicht helfen. Da reinzugehen wäre ja wohl Selbstmord mit Anlauf. Aber es gab noch genügend andere Möglichkeiten.
    Suchanek kroch
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