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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest
Autoren: Rainer Nikowitz
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dann langsam Richtung Bahnübergang. Der Bertl war der Feuerwehrtaucher gewesen! Suchanek schüttelte den Kopf und lachte leise. Dieser dumme Hund. Allein herumtauchen, ausgerechnet in der Lacke. Kein Wunder, dass der Fünfer narrisch geworden war.
    Wegen den Hasen.
    Suchanek war in der Zwischenzeit vor den Gleisen angekommen und blieb stehen. Aber diesmal nicht, weil er fürchtete, er könnte in einen Zug hineinrennen. Er versank in Gedanken. Und wenn er was geraucht hatte, konnte er verdammt tief sinken.
    Ein ganzes Auto.
    Nicht zu übersehen, hatte der Wimmer gesagt. Verdammter Angeber. So gut, wie er da tat, konnten auch diese Polizeitaucher nicht sein. Unten im Loch war es sicher schlammig und dunkel und alles. Selbstverständlich konnte man da ein paar Autoreifen und Lichtmaschinen und sonstige Trümmer übersehen.
    Es sei denn.
    Der Bertl taucht. Der Fünfer tobt. Wegen den Hasen.
    Der Hut.
    Der Hut!
    Suchanek drehte sich um und rannte los. Der Hund, der ihn jetzt doch schon vier Tage kannte, wurde von der untypischen Schnelligkeit dieser Bewegung völlig überrascht und quietschte beleidigt auf, als er mitgerissen wurde. Suchanek stampfte über die Böschung hinab auf Schneckerl zu, bremste sich knapp, bevor er ihn ins Wasser gerempelt hätte, ein und riss ihm den Hut vom Kopf.
    Da waren sie. Die rammelnden Hasen, die der Bertl aus dem Wasser geholt hatte. Nur das lustige «Injection», das eigentlich daruntergehörte, fehlte.
    Das Auto vom Willi da unten war nicht zu übersehen, weil es eben wirklich ein ganzes Auto war. Und der Fünfer war nicht etwa durchgedreht, weil er sich Sorgen gemacht hatte, der Bertl hätte ersaufen können.
    Schneckerl trug Suchaneks etwas rohe Rückkehr mit Fassung. Er zupfte gelassen seinen Doppler aus dem Wasser und sagte: «Na, schau. Warst eh nicht so lang weg.»

[zur Inhaltsübersicht]
20
    Von hinten sahen die Bauernhöfe auf der Wulzendorfer Hauptstraße alle gleich aus. Wobei man der Vollständigkeit halber dazusagen musste: von vorne auch.
    Architekturkritik war zwar, wie ja alles andere auch, nicht unbedingt Suchaneks Fach, aber die Erkenntnis, dass die glattgebügelten Straßendörfer im niederösterreichischen Getreidegürtel kaum je als Denkmalschutzgebiet taugen würden und dass sich schon gar nicht in 2000  Jahren schlecht bezahlte Studenten beim archäologisch korrekten Abpinseln von Betonschalsteinfragmenten die Lendenwirbelsäule ruinieren würden, war mit keiner großen Restunsicherheit behaftet.
    Wulzendorf hatte aber immerhin – und dies keinesfalls zu Unrecht, wie vor allem der Siebzehner-Stratzner zu betonen nicht müde wurde – im Jahr 1997 bei der vom Land sehr engagiert betriebenen Misswahl der Dörfer, die unter dem lyrisch bewegenden Motto «Niederösterreich schön erhalten, schöner gestalten» gestanden war, einen Anerkennungspreis erhalten. Allerdings nicht in der Kategorie «Bauten», sondern für den Blumenschmuck.
    Und der Siebzehner sagte meistens eher nicht dazu, dass die Auszeichnung speziell der radikalen, einer nicht gänzlich biologischen, flüssigen Spezialmischung aus dem Bernhardsauer Raiffeisen-Lagerhaus geschuldeten Schildlausfreiheit sämtlicher Geranien gegolten hatte.
    Die Grundstücke der Bauern waren alle sehr lang, dafür aber ziemlich schmal. Hintaus stand zuerst einmal meist nur ein einfacher Drahtzaun, in aller Regel schon ziemlich in die Jahre gekommen und heillos zusammengerostet, weil er ohnehin keinen praktischen Nutzen hatte, außer anzuzeigen: «Hier beginnt. Meins.»
    Auf keinen Fall war er zum Beispiel dazu gedacht, einen Brandstifter aufzuhalten, der vielleicht den alten Stadl anzünden wollte, der auf der anschließenden Wiese stand. So oft kam das ja nun auch wieder nicht vor, dass man einem Zündler sein ruchloses Tun irgendwie zu erschweren suchen musste. Obwohl Wulzendorf da mittlerweile in der Bezirksstatistik sicherlich auf Champions-League-Kurs war.
    Bei dem neuen Betonstadl, der dann anschließend kam, war das schon was anderes. In ihm standen ja die Maschinen, und die waren ganz schön was wert, vor allem seit die gedeihliche Entwicklung des Subventionswesens dazu geführt hatte, dass nicht mehr nur bei Traktoren und Mähdreschern das Mercedes-Syndrom um sich gegriffen hatte. So eine vollklimatisierte Egge mit 4 -Way-Turboboost-Soundsystem durfte bei keinem gut sortierten Großbauern fehlen. Damit da erst gar keine düsteren Landfluchtgedanken aufkamen.
    Der Maschinenstadl schirmte den eigentlichen Hof
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