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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche
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hatten sie eingesperrt.
    Zu spät begriff sie, daß dies die dritte Aufgabe oder Herausforderung war. Erst der Stiefelhintern im Graben, dann das reizbare Ausrufeze i chen, nun die Bausteine. Sie wollte unbedingt aus diesem plötzlich um sie herum entstandenen Gefängnis freikommen.
    Sie drückte probehalber gegen die Mauer, doch die war fest. Die Steine hatten sie wirkungsvoll eingesperrt! Als nächstes überprüfte sie den B o den, doch der bestand aus hartem Felsen. Normalerweise hätte so etwas keinem Dämon die Freiheit rauben können, aber der allgemeine Zauber, der über dem Schloß hing, machte sie einem sterblichen Wesen (bäh!) ähnlich. Sie mußte auch die Entdeckung machen, daß sie nicht allzuviel Erfahrung damit hatte, rein stoffliche Gegenstände zu handhaben. Doch die Erinnerung daran, daß sie im Vorjahr in der Zone des Wahnsinns vernünftig und bei Verstand geblieben war, bescherte ihr die Gewißheit, daß sie auch dieses Problem würde meistern können.
    So machte sie sich daran, den ganzen Bau von innen zu erkunden. Durch die Ritzen zwischen den Blöcken drangen matte Lichtstrahlen ein, so daß es im Innern nicht völlig dunkel war. Mentia versuchte, sich durch eine dieser Ritzen zu quetschen, doch nicht einmal über diese Fähigkeit verfügte sie mehr. Das war alles ziemlich frustrierend.
    »Ich frage mich, was Gary Wasserspeier wohl jetzt machen würde?« überlegte sie. »Der war ja immerhin eine mächtige Steinkreatur, die wä h rend dieses Abenteuers in ein schwaches, fleischliches Geschöpf ve r wandelt wurde, also wirklich ordentlich in der Patsche saß.«
    »Wirst du bitte ruhig sein, während ich versuche, mich auszuruhen?« fragte Metria verärgert.
    Mentia dachte nach, überlegte, erwog, kontemplierte, reflektierte und räsonierte, wie Metria es getan hatte, und entwickelte schließlich eine schwache Ahnung: Vielleicht mußte sie einfach ganz anders denken als gewohnt. Sie wußte ja, daß es immer eine Möglichkeit gab, die Aufgaben zu lösen, und meistens ging es dabei eher um Gewitztheit als um Kraft. Daher wäre sie wohl auch am besten beraten, wenn sie ihren Verstand statt ihren Körper einsetzte.
    Aber genau das hatte sie ja versucht, ohne allzu weit damit zu ko m men. Was nützte es schon, endlos nachzugrübeln, wenn am Schluß als einziges Ergebnis die Erkenntnis herauskam, daß sie noch mehr nac h grübeln sollte.
    »Nicht mehr, anders«, gemahnte sie sich.
    Sie musterte wieder den Raum. Sie hatte es zwar mit einem Baustein versucht, um festzustellen, daß er feststofflich war – aber vielleicht gab es auch andere, die nur locker in der Wand steckten. Möglicherweise könnte sie einen davon nach außen drücken und durch die Öffnung kriechen.
    Also legte sie die Hände auf einen weiter unten befindlichen Stein. Der saß fest. Sie versuchte es mit dem nächsten. Er war noch fester. »Verm a ledeit seist du!« verwünschte sie ihn, doch der Stein ließ sich nicht beei n drucken.
    Sie setzte ihre Überprüfung fort, mußte aber feststellen, daß sämtliche tiefergelegenen Steine fest und hart waren. Das war also offensichtlich auch nicht die Lösung. Sie war noch immer eingekerkert.
    Mentia nahm Platz, lehnte sich gegen die Wand und starrte auf die Staubkörner, die in den dünnen Lichtstrahlen umhertänzelten. Der Staub schien eine bestimmte Richtung zu verfolgen wie ein Strom, der durch den Raum zog. Wo ging er bloß hin? Sie konzentrierte sich genauer da r auf, indem sie einen äußerst großen und sehkräftigen Augapfel ausbild e te, und verfolgte das Treiben der Staubkörner über die Lichtstrahle n grenze hinaus. Doch auch diese Anstrengung war vergebens – die Di n ger verschwanden nirgends, sondern stießen einfach nur gegen die Wand und senkten sich langsam zu Boden. Da kam ihr eine bessere Idee. Es ging gar nicht darum, wohin die Staubflocken und -körner trieben, so n dern wo sie herkamen! Woher stammte dieser leichte Luftzug? Dieser Spur ging sie nach und stellte fest, daß der Luftstrom aus einem der Steinblöcke in der Kuppeldecke kam. Wie konnte das sein?
    Sie legte die Hand an den Stein – und die Finger drangen ohne jeden Widerstand hindurch. Es war nur eine Illusion! Sie hatte ganz einfach zu früh aufgegeben. Hätte sie tatsächlich jeden einzelnen Stein überprüft, wäre ihr das bereits aufgefallen. Das war also der Weg ins Freie.
    Sie griff mit beiden Händen nach dem Loch und stemmte sich hoch. Schon im nächsten Augenblick hatte sie den Kopf aus dem Bau
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