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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt
Autoren: Ally Kennen
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konstruiert wie der Mast: Lauter Eisendreiecke bilden eine hohle Säule. Lexi balanciert auf dem Gitterstreifen. Ich bin froh, dass die beiden innen langklettern. Da ist wenigstens noch was zum Festhalten zwischen ihnen und der leeren Luft.
    »Nicht mit dem vollen Gewicht da drauftreten!«, brülle ich. »Vielleicht hält es euch nicht aus! Haltet euch an den Seiten fest!«
    Lexi reckt den Daumen. Mir wird schon schwindlig, wenn ich ihr nur zusehe.
    Es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich immer noch in der Kabine bin, während die beiden anderen draußen rumkraxeln. Ich kann mich nämlich nicht entscheiden, wovor ich mich mehr fürchte: vor Lenny und seiner Pistole oder vor dem Abgrund.
    Ich lege den rechten Hebel um und die Kabine setzt sich wackelnd in Bewegung. Der Ausleger bewegt sich mit.
    »Krass!«, schnaufe ich. Lexi und Devil hängen wie zwei Käfer in den Streben. Irre. Ich drehe das Ding wieder zurück und gebe mir Mühe, nicht zu doll zu ruckeln. Ich will meine Freunde ja nicht abschütteln. Devil und Lexi kommen ganz gut voran. Sie bleiben dicht beieinander. Ob ich sie überhaupt noch einholen kann? Ich schwenke den Ausleger |328| so herum, dass es von meinem Sitz aus den Eindruck macht, als ob er direkt über dem Gegengewicht des anderen Turmkrans steht, dann halte ich an. Mehr kann ich nicht tun. Ich trenne die beiden Zündkabel wieder, springe vom Sitz und verlasse die Kabine. Ich bleibe stehen und horche. Ich höre ganz deutlich Tritte die Sprossen hochkommen. Er ist schätzungsweise noch drei Leitern unter mir. Er wird langsamer. Die Puste geht ihm aus. Wozu auch die Eile? Schließlich glaubt er, dass wir in der Falle sitzen. Hoffentlich hat er die beiden anderen noch nicht entdeckt. Hoffentlich geben sie jetzt nicht zwei prächtige Zielscheiben ab.
    Ich muss hinterher. Ich muss die nächste Leiter hochklettern und rüber auf den Ausleger. Es geht nicht anders. Ein Windstoß trifft mich und ein Schauder läuft mir den Rücken runter. Ich kann das nicht. Es ist kalt hier oben, mitten in der Luft. Die Lichter der Stadt leuchten orange. Ich erkenne den schwachen Umriss der Hügel dahinter. Da unten liegen Tausende Leute schlafend in ihren Betten und haben keine Ahnung, dass Chas Parsons oben am Himmel festsitzt und auf sie runterschaut.
    Ich kann mich nicht rühren. Noch einen Augenblick. Solange ich dermaßen zittere, hat es keinen Zweck. Vielleicht verstecke ich mich lieber irgendwo in der Kabine. Aber schon als mir der Gedanke kommt, ist mir klar, dass das Quatsch ist. Ich muss da hoch. Lenny ist gleich hier. Ich behalte die Luke im Auge, gebe mir einen Ruck und will mich in Bewegung setzen, aber ich bin wie festgeklebt am Geländer. Ich kann mich nicht rühren. Voller Entsetzen |329| sehe ich, wie sich zwei bleiche Finger um den Lukenrand schließen und Lenny Darling sich auf die Plattform vor dem Kranführerhaus hochzieht.
    Er richtet die Waffe auf mich und mir bleibt fast das Herz stehen.
    Anscheinend leide ich schon unter Halluzinationen. Ihm laufen
Tränen
übers Gesicht. Immer wieder hebt er den Arm und wischt sie weg. Und trotz Wind und Regen kann ich seine Schnapsfahne riechen.
    Ich hab solchen Schiss, dass ich mich nicht von der Stelle rühren kann. Er braucht nur abzudrücken und ich bin tot.
    »Lenny!«, kriege ich schließlich raus und meine Stimme klingt ganz fremd. Als ob sie von weit her kommt. »Was soll der Mist?«
    »T-t-tut mir leid«, erwidert Lenny und zu meiner Verwunderung schluchzt er dabei richtig. »Ich hab diesen Augenblick herbeigesehnt. Viele, viele Jahre lang. A-a-aber jetzt ist es nur schrecklich!« Er wischt sich die Nase und schubst sich dabei die Schirmmütze vom Kopf. Dann stößt er komische Jammerlaute aus, die mich an Mum erinnern, wenn sie schlecht drauf ist.
    Trotz allem hält er die Waffe unbeirrt auf mich gerichtet.
    Wie bin ich bloß hierhergeraten? Wenn man mich mit einer Kugel im Kopf tot am Boden findet, mache ich bestimmt ein total ungläubiges Gesicht. Das Ganze ist komplett unwirklich. Als ob ich mich selber von außen beobachte.
    |330| »Du hast mich aufgestöbert, Nappy. Wie in meinen schlimmsten Albträumen. Du hast mir die Hand geboten und wolltest mir giftiges Fleisch andrehen.« Er gibt ein leises Gewinsel von sich.
    »Ich bin nicht Nappy!«, bringe ich heraus. »Ich bin Chas. Nappy war der Spitzname von meinem Vater.«
    »T-t-tut mir leid.« Er schließt die Augen. »Ich geh nicht mehr da rein, und wenn ich dich laufen lasse, sorgst du
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