Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung
Autoren: Judith Hueller
Vom Netzwerk:
Freitag, 19:01 Uhr

    Alles Klärchen, Kind kann kommen. Zumindest im Klavierzimmer. Jule Schweitzer rückte an ihrer Brille und inspizierte das improvisierte Werk. In ihrer Schläfe pochte es höllisch, trotz Tablette. Nonstop ratterten To-Do-Punkte durch ihr Hirn und, verdammte Axt, die Liste wuchs. Auf der meterdicken Luftmatratze stapelten sich alle verfügbaren Kissen und auf dem frischbezogenen Bettzeug lümmelte Mr. Bommel. Eine warme Welle durchströmte Jule beim Anblick von Ewas abgewetztem Plüschteddy. Ewa Bogacz … Der blondierte Wirbelwind in Zwergformat, der ihr als Viola den Kopf verdrehte. Ein beknacktes Drehbuch. Soap-Grütze in seiner schlimmsten Form. Trotzdem ließ die lesbische Fangemeinde sie beide hochleben unter ihrem Paarnamen Violett, gekreuzt aus Viola und Babett. Wie unwirklich es sich noch anfühlte, dass es auch jenseits der Kamera gefunkt hatte und sie inzwischen in Jules Wohnung zusammenwohnten. Achtundzwanzig Tage Beziehung. Bald einmonatiges. Krass. Verrückt. Doch war es auch wundervoll vertraut, beflügelnd wie ein brillanter Schachzug. Und rettungslos chaotisch. Eine Stunde Minimum hatte es gebraucht, um allein verstreuten Bogacz-Kram aufzuklauben. Turnschuh hier, Shirt dort, Schokoriegelpapier auf dem Flügel, benutzte Kaffeetasse in der Dusche. Besten Dank. Oh Ewa … Passend zum Stichwort klapperte es im Türschloss, und eine Kopfdrehung später hopste Jule Ewas sabbernder Wuffi um die Beine.
    »Hey, mein Kleiner«, sagte Jule sanft und kraulte dem Herrn im Haus sein struppiges Hundeohr. »Brav Pfützen gemacht?«
    »Ignorier ihn«, kam schroff aus Richtung Flur. »Er wollte im Park eine Ente vögeln.« Ewa erschien im Türrahmen, die eigenwilligen Fransen rettungslos zerzaust. Zartrot schimmerten ihre Wangen und ebenso die Ohren. Wusch, das Kribbeln in Jules Magen nahm zu. Ewas T-Shirt klebte verschwitzt auf glänzender Haut, die Bilder weckte. Erinnerungen an aufwühlende Nächte in zerwühlten Laken, inklusive gesäuselter Sauereien und gehauchter Zuneigung in XXL. Dafür gab es nur eine eindeutige Diagnose: verliebt. Oh ja. Wahnsinnig verliebt.
    »Tja. Frühlingsgefühle, Süße.« Jule ließ von Wuffi ab und widmete sich lieber dem Frauchen.
    Doch das knurrte. »Dann soll er sich auf einen Pudel schwingen.«
    »Ssscht …« Jule erstickte jedes weitere Wort mit einem Kuss.
    Schöne Taktik. Richtige Taktik. Die schimpfende Bogacz mutierte zur schnurrigen Katze. Widerstandslos ließ sie sich die Fransen kraulen, ehe sie Jules atemvernebelte Brillengläser mit den Daumen freiwischte. Das gab Schlieren, aber gut, es zählte die Kavaliersgeste.
    »Ja wow.« Ewa klang beeindruckt. »Du bist ja schon fertig.«
    »Pfff. Von wegen.« Jule verdrehte die Augen. »Nur mit diesem Zimmer hier. Ansonsten habe ich lediglich Bad und Flur geputzt.«
    »Sind das alte Poster von dir?« Ewa zeigte zur Wand, frisch geschmückt mit einem galoppierenden Haflinger und einem Zauberszenario in Rosa.
    »Unsere Poster, Süße. Wir besitzen nämlich ab jetzt die aktuelle Wendy und alle Sonderhefte von Prinzessin Lillifee.«
    »Super.” Ewa lobte mit Küsschen auf die Schläfe, welch Wohltat, und kickte ihre ausgetretenen Flip-Flops in die Ecke. Den umgeknoteten Pulli schmiss sie achtlos hinterher. »Das Wetter ist so krass. Wir haben Mai. Hallo? Im Park rennen die ersten Jogger in Shorts und Tank-Tops rum.«
    »Der Wasserball ist auch schon aufgepustet.« Jule hob das pinke Plastikding vom Boden auf und pritschte es Volleyball-like zu Ewa. Theoretisch. Praktisch landete der Ball meterweit daneben auf den unausgepackten Umzugskisten. Schnurz. Tat nichts zur Sache. Sie war trainierte Ballerina, kein Sport-As mit Baggertalent.
    Ewa stutzte. »Mit Hello Kitty drauf?«
    »Es gab keinen anderen.«
    »Den hast du extra gekauft?«
    »Vorhin nach Drehschluss. Wir könnten mit der Maus doch an den See fahren, dachte ich. Warm genug wird es. Ich hab das gegoogelt und schon S-Bahn-Verbindungen rausgesucht. Taucherbrille und Flossen stecken in der Tüte da vorne. Schwimmflügel zur Sicherheit auch, außerdem …«
    »Gott, Jule«, fiel Ewa ihr ins Wort. »Wie viel hast du ausgegeben?«
    »Egal.« Sie winkte ab. »Übernehme alles ich. Mach dich locker.«
    »Darum geht es nicht. Du …«
    »Ssscht. Kein Gezicke wegen Geld, bitte. Viel wichtiger wäre die Frage, wie ich den Krempel jetzt hindekoriere. Schau mal.« Sie holte die zweite Tüte, während ihr Hirn schon wieder rotierte. »Buntes Papier in dick und dünn.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher