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Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung
Autoren: Judith Hueller
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Goldfolienkram, dazu Glitzerstifte und Glitzerkleber. Wachsmalkreide fand ich unsexy. Dafür habe ich einen Malkasten inklusive Deckweiß besorgt. Paar Pinsel und hier, Motivlocher. Der eine tackert Herzchen, der andere …«
    »Sieh mich mal an«, sagte Ewa mit eindringlicher Stimme.
    »Wieso? Hab ich was vergessen?«
    »Du bist am Anschlag, richtig?«
    »Ach Unsinn. Es ist nur …«
    »Lüg nicht. Ich merk dir das an.«
    Durchschaut, wie immer. Jule ließ die Schultern hängen. »Ich kann nicht mit Kindern.«
    »Blödsinn.«
    »Ewa, Zwerge machen mich nervös. Die gucken immer so lauernd. Was soll ich mit denen reden?«
    »An der Hochzeit von Alicja und Piotr lief es doch top.«
    »Sonderfall. Themenwechsel.« Dieses Event hatte Jule genug Nerven gekostet. Trubel hoch zehn. Gefühlt diverse Großfamilien und unzählige Gäste, die sich bis in die Morgenstunden inbrünstiger abgefeiert hatten als Ossis und Wessis beim Mauerfall. Als Krönung dann der schlimmste Filmriss ihres Lebens. Oh Himmel, was hatte Jule gekotzt am Tag danach. Wahrscheinlich auch am Abend selbst, keine Ahnung. Totalausfall. Ewas polnische Clique in Hamburg war hardcore und blieb ein Kapitel für sich.
    »Paulina mag dich, Jule.« Ewa nahm den Faden wieder auf. »Sonst würde sie uns wohl kaum besuchen.«
    Bezwingende Logik. Während der ausschweifenden Hochzeit war Natalias sommersprossiger Sonnenschein nicht von Jules Seite gewichen. Warum auch immer. Die fünfjährige Maus hatte ihren eigenen Kopf, und Jule wurde mit Zuneigung überhäuft wie eine Lieblingspuppe. Paulina hatte sie mit Torte gefüttert, ihr ungeniert Blüten ins Haar geflochten und sie final zu einer Runde Ententanz genötigt. Irgendwann hatte Jule die Einladung nach Berlin ausgesprochen. Warum? Vielleicht hatte Paulinas zahnlückiges Lächeln sie eingelullt, vielleicht auch die diversen Wodkaladungen plus X. Doch unterm Strich hatte sie wohl bei Ewa punkten wollen, die schon immer überschwänglich von Paulina schwärmte und ihre gemeinsamen Aktivitäten schmerzlich vermisste. Im Gegensatz zu Jule liebte Ewa nun mal Kinder über alles. Tja. Letzte Woche hatte Natalia das mütterliche Go gegeben. Die Sache war geritzt. Jetzt hieß es Augen zu und durch und zeitnah ab in die Küche.
    »Haben wir alles für die Überraschungstorte, Süße?«
    »Entspann dich.« Ewa ergriff ihre Hand und drückte sie sanft. »Zutaten sind da. Du kommst jetzt bei einem Glas Wein runter und dann backen wir. Gemeinsam. Okay?«
    Jule nickte. »Könntest du mir vorher trotzdem Mut anknutschen? Am Herd hab ich null Talent, ich schwöre. Bestimmt tatter ich gleich jedes Ei daneben und spätestens bei der Sprühsahne werde ich mich anstellen wie ein Volldepp, der …«
    »Keine Panik. Ich bin da.« Grinsend zog Ewa sie für ein schmusiges Intermezzo in eine Umarmung, ehe sie voll verstrahlt Stirn an Stirn legten. »Ich bin so unglaublich stolz auf dich, Jule.«
    »Äh …« Verlegen streifte Jule sich eine dunkle Strähne hinters Ohr. »Wieso?«
    »Wie du diese Nummer durchziehst. Mit Paulina. Mit meinen Freunden, überhaupt alles. Du hängst dich so rein, für mich, für uns, und ich könnte auf der Stelle losheulen, ey, das ist echt mega. Und dass du extra Spielzeug besorgst, damit wir …«
    »Ssscht.« Knutschen. Einfach nur Knutschen war so viel besser als jede Lobrede. Vergessen waren Kind und Küche, Backerei und Bastelkram. Ihre Welt stand still, die Schmetterlinge tobten und …
    »Du machst Musik«, nuschelte Jule.
    »Oh.« Ewa löste sich und nestelte ihr Handy aus der Jeanstasche. »Natalia, hej.«
    »Stell laut«, raunte Jule.
    Ewa drückte auf den Lautsprecherknopf. »Noch mal hej, auch von Jule. Sie hört mit.«
    »Stör ich?« Natalia meldete sich artig auf Deutsch.
    »Ausnahmsweise nur beim Knutschen«, gestand Ewa grinsend und ihr Blick heftete sich dabei sehnsüchtig an Jules Lippen. »Bleibt es bei acht Uhr? Oder wollt ihr später los? Kein Ding. Jule schläft ohnehin lieber länger.«
    »Wir sollten das Wochenende verschieben«, sagte Natalia.
    Verschieben? Moment. Dieses Wort gehörte nicht ins Wochenenddrehbuch. Synchron mit Ewa kräuselte Jule die Stirn.
    »Warum?«, fragte Ewa nach. »Das Hotelzimmer für dich und Krysztof ist bereits gebucht. Stornieren kostet. Oder ist irgendwer krank?«
    »Wir haben momentan sehr viel um die Ohren, Ewa.«
    »Wie immer. Krysztof rödelt in seiner Autowerkstatt, du rackerst dich ab im Dollhouse. Ihr müsst mal ausspannen. Alleine. Wir kümmern
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