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Violette Bescherung

Violette Bescherung

Titel: Violette Bescherung
Autoren: Judith Hueller
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haben.«
    »Ne.« Jule lachte auf. »Meine Probleme wollen Sie nicht. Denn wissen Sie was? Akut würde ich für eine Zimtstange töten.«
    »Zimtstangen stehen über dem Zucker.«
    Geil! Geht doch. Sie schubste den Herrn ruppig aus der Bahn und sprintete in die Backabteilung. Dort wilderte sie los. Zimtstangen, Haselnüsse, Mandeln, Mandelaroma, Marzipan und was da eben noch so stand, keine Ahnung, sie kippte Verpackung um Verpackung wahllos in ihr Körbchen. Der Tragegriff knirschte bedenklich. Shit. Also legte sie ihre Ausbeute aus der Süßwarenabteilung in irgendeinen herumstehenden, herrenlosen Wagen. Darin befanden sich nur Donuts und Hamburgerbrötchen, wurscht, kaufte sie das Zeug eben. Ab durch die Mitte. Mit eingezogenem Kopf flüchtete sie samt eierndem Karren den Gang längs, umkurvte beim Kurswechsel haarscharf einen Turm aus Raviolidosen und bretterte zurück zu den Kühlregalen und … Bingo! Die weihnachtliche Essensfrage war hiermit ebenfalls gelöst. In Windeseile rollte sie zum Kassenbereich und stellte sich in irgendeine Schlange. Jabadabadu, ich bin drin. Sie wählte vier Tüten, wuchtete alles aufs Band und zückte ihre Geldbörse, während eine lippengepiercte Studentin-Punk-Mischung alles robotergleich über den Scanner zog.
    »Das macht 134 Euro 83«, kam es final, gelangweilt und kaugummikauend von der Kassiererin.
    »Äh …« Jule schluckte schwer und zeigte Grübchen. »Nehmen Sie Kreditkarten?« Parallel tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Nur widerwillig drehte Jule den Kopf zu einer Wolke aus beißendem Schweißgeruch, erst herum, dann nach oben. Hurgx. Big Mama is watching me. Mit nachtschwarzem Blick unter zusammengekniffenen Buschbrauen, an denen sich eine Kosmetikerin hundertpro in den Burn-out gezupft hätte.
    »Is was?«, fragte Jule so teilnahmslos wie möglich und nestelte weiter. Dabei glitschte ihr das schimmernde Kärtchen aus den Fingern. Oh Mist. Sie bückte sich, hob die Kreditkarte auf und schielte empor. Zeitlupengleich stemmte sich der Bomber die Arme in die Seiten. Ins ausgewaschene Zweimannzelt über den mörderischen E-Körbchen und in geschätzte hundertfünfzig Kilo.
    »Was ist?«, fragte Jule noch einmal. »Kann ich helfen?«
    »In diesem Wagen ist mein Euro, du Pissflitsche.«

Freitag, 20:33 Uhr

    Gruß vom Rücken, Schweitzer, der ist im Arsch. Aber wer wollte schon kleinkariert Blessuren zählen nach dem Kampf im Supermarkt? Der Bomber hatte Jule zusammengefaltet. Zum Glück nur verbal, aber nach allen Regeln der Schimpfwörtersprachkunst. Einige Ausdrücke waren selbst Jule neu gewesen und hatten sie bis ins Mark erschüttert. So hatte sie mit nässenden Augen und unter bohrenden Blicken der restlichen Kunden den geborgten Einkaufswagen reuig rausgerückt. Ebenso die Hamburgerbrötchen und Donuts. »Ist alles bezahlt«, hatte sie kleinlaut gesagt. »Frö-fröhliche Weihnachten.« Eine restlos misslungene Szene.
    Nun scheuchte sie Fiffi in Richtung Flurkörbchen und stemmte mit letzter Kraft ihre kiloschweren Einkäufe auf den Küchentisch, um anschließend auf einem Stuhl formvollendet zusammenzubrechen. Sie vergrub den Kopf in den Händen und heulte passend zur Verfassung einfach mal eine Runde. Advent, Advent, die Schweitzer flennt. Egal. Fühlte sich gut an. Ebenso die warmen Finger, die ihr durchs Haar streichelten, kaum war Ewa zur Tür rein.
    »Gott, Jule.« Ewa ging vor ihr in die Hocke. »Was ist denn passiert?«
    »Horror.« Schniefend wischte sich Jule über die Wangen. »Hartz IV macht aggressiv. Ey, ich wurde halb gelyncht wegen einem Euro. Ein verdammter Euro in so einem Kackwagen.«
    »Berlin. Brüll zurück.«
    »Das brauchst du mir nicht sagen. Nur hatte die Gehsteigwalze das Dreifache an Masse und die hätte hundertpro losgeprügelt, ohne Witz. Die nettesten Kosenamen waren noch Bonzenpritsche und Klapperschlampe und …«
    »Wein, warte. Roter Spanier mit Schnörkeletikett, ich weiß.« Routiniert holte Ewa Jules Hausmarke aus der Speisekammer und reichte ihr kurz darauf ein gefülltes Glas Rotwein, das Jule dankbar wegexte. Welch Trost, auch wenn der Chardonnay aus dem Kühlschrank deutlich mehr Charme gehabt hätte. Nun gut. Von Wein hatte Ewa keinen Schimmer. Und Alkohol war Alkohol, wenn das Ego zertrampelt am Boden lag.
    »Besser jetzt?«, fragte Ewa vorsichtig.
    »Wie viele Flaschen sind denn noch da?« Jule versuchte ein Lächeln. »Lief es wenigstens bei dir, Süße?«
    »Wie man es nimmt. Pferde in Tüten hatten sie
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