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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende
Autoren: Judith Hueller
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ein. »Wir haben doch dieses Massageöl aus dem Sexshop. Am besten legst du dich nackt ins Laken, und ich lasse meine eingeölten Finger erotisch über deine Haut gleiten, bis du dich total willenlos und schnurrig windest vor unbändiger …«
    »Mann, geht hier endlich was voran?« In der Warteschlange vor der Geisterbahn rissen offenbar Geduldsfäden.
    Ihre Schuld war das aber nicht. Oder? Gut, sie blockierten den Eingangsbereich, aber der Stier blockierte sie.
    »Wollen Sie noch was von uns?« Jule blickte dem Typen mit entwaffnendem Charme direkt in sein knallrotes Gesicht. Probleme mit dem Blutdruck, Junge?
    Von dem Stier kam nichts. Also marschierte Jule mit ihrer Süßen eilig von dannen. Nur nicht zurückblicken. So lautete nun das Motto.
    Irgendwann stöhnte Ewa auf. »Ich hab langsam die Schnauze voll.«
    Jule blieb stehen. »Von mir?«
    »Von dieser halbgaren Fummelei. Jedes Mal, wenn wir uns küssen, uns anfassen, dann … dann … steh ich in Flammen. So was Heftiges ist mir noch nie passiert. Ich bin in dich verliebt, und ich kann das nicht unterdrücken. Ich will dich. Ständig.«
    »Komm her.« Beruhigend nahm Jule ihre Liebste in die Arme. »Irgendwie kriegen wir das schon hin mit uns.«
    »Sicher?« Auf Ewas Stirn erschien eine Falte. »Zieh dir das mal rein. Sobald es sexuell wird, funkt uns irgendwer oder irgendwas dazwischen. Was, wenn das ein Zeichen ist?«
    Ein Zeichen wofür? Dass sie in Zukunft die Finger voneinander lassen sollten? Blödes Zeichen. Gedankenverloren schlenderte Jule weiter und zog Ewa hinter sich durch einen Ableger des Doms mit mittelalterlichem Touch. Bretterbuden reihten sich aneinander, bestückt mit Tüchern, dampfenden Fladenbroten und Räucherstäbchen. Hust.
    Unvermittelt stoppte Ewa. »Wir sollten einen Profi fragen.« Sie deutete mit dem Finger nach rechts.
    Jule erstarrte. »Süße, du willst jetzt nicht in diesen Wahrsagerwagen, oder?«

KAPITEL 2

    Ein Blick in die Zukunft. Jule wurde schlagartig schlecht bei dieser Vorstellung. Nachdenklich musterte sie den blauen Wagen, der in einen Zirkus gepasst hätte. Neben der Eingangstür prangte ein Holzschild. ›Wahrsagerin‹ stand in schnörkeligen Buchstaben darauf.
    Mit flauem Gefühl im Magen sah Jule zu Ewa. »Was erhoffst du dir davon?«
    Der Zwerg zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Könnte spannend werden. Vielleicht sagt die was Schlaues.«
    »Bestimmt.« Jule lachte auf, nur klang es selbst in ihren Ohren künstlich. »Und wenn die meint, dass wir nicht zusammenpassen?«
    »Wir müssen doch nicht auf ihr Gerede hören.«
    »Mir ist nicht wohl bei der Sache.« Jule forschte in sich selbst nach den Gründen. Tja. Schwierig. An esoterischen Hokuspokus hatte sie noch nie geglaubt. Sie verunsicherte mehr das Prinzip. Wie sehr wünschten sich ihre Nerven eine Zusage für ein sorgenfreies Leben. Keine Panik, kein Stress, alles gut. Wäre enorm praktisch und exakt in ihrem Schissersinn. Gott, hätte sie manches vorher gewusst, dann … Dann was, Schweitzer? Tja. Hätte sie sich anders verhalten? Dinge nicht getan, die ihr später das Genick gebrochen hatten? Keine Ahnung. Wenn Ewa und sie keine Zukunft hatten, wollte sie es wirklich wissen? Ausgerechnet jetzt, wo die Schmetterlinge in ihr wie blöde tobten? Oder gerade jetzt, am Anfang, um noch die Notbremse zu ziehen, bevor die Gefühle immer tiefer ins Herz rutschten.
    »Komm, Jule. Mach dir nicht ins Hemd.« Ewa nahm ihre Hand. »Wir sind auf dem Dom. Im schlimmsten Fall wird das Dampfgeplauder.«
    »Und im besten Fall?«
    »Was weiß ich? Sie prophezeit uns Glück oder haut ein paar weise Sprüche raus über das Leben.«
    Verstehe. Wer früher stirbt, ist länger tot. Das macht drei Euro fünfzig.
    Geführt von Ewa stieg Jule die drei Stufen hinauf. Ewa klopfte an und sie traten ein. Das Innere erinnerte an einen Speisewagon aus Urzeiten. Schummriges Licht ging von den altbackenen Leuchten mit Lampenschirm aus, die über jedem der vier Tische hingen. Alle samtbezogenen Stühle waren leer bis auf einen. Auf diesem mischte eine Frau mit ausdrucksloser Miene Karten. Esmeralda. Der Name schob sich in Jules Hirn angesichts dieser Bilderbuchzigeunerin. Mit dem faltenzerfurchten Gesicht hatte die ihre Blütenzeit längst hinter sich. Die Lockenmähne war dagegen tiefschwarz ohne Graustich und kräuselte sich widerspenstig über die schimmernden XL-Kreolen in Gold hinab auf das fransige Tuch, das ihre Schultern bedeckte. Bei jeder Bewegung klirrten die klobigen
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