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0988 - Das Labyrinth von Eden

0988 - Das Labyrinth von Eden

Titel: 0988 - Das Labyrinth von Eden
Autoren: Adrian Doyle
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»Sie sind weg! Wie vom Erdboden verschluckt!«
    Wafa Saleh stolperte auf die Stelle zu, wo er das Quintett zuletzt gesehen hatte, und sank auf die Knie. Seine fluchbeladene Hand strich suchend über den ausgetrockneten Boden. Das dicke Leder des Handschuhs pflügte durch den Sand.
    Bayan, der ihm wie sein anderer Bruder Zalay folgte, spürte, dass Wafa den Handschuh am liebsten ausgezogen und von sich geschleudert hätte, um seine Flammenhand zu entblößen - das Erbe des unseligen Karim, der vor beinahe achthundert Jahren den Fehler begangen hatte, mit seiner Hand das feurige Schwert eines Engels zu ergreifen. Seit damals war jeder männliche Nachfahre ihrer Blutslinie mit einem Stigma geschlagen, das anderen Menschen schwerste Verletzungen oder gar den Tod zufügen konnte. Nur verhüllt stellten die Flammenhände keine Gefahr dar.
    Bayan legte die Hand auf Wafas Schulter und versuchte, ihn zu beruhigen. Aber Wafa war untröstlich. »Wir werden sie nie mehr Wiedersehen! Unsere armen Kinder…«
    Zeitweilig hatte der entartete Engel, den Nele Großkreutz - die Zauberin, wie Bayan sie nannte - schließlich hatte unschädlich machen können, sie entführt gehabt. Und dabei waren auf unerfindliche Weise aus Kindern Greise geworden - binnen weniger Stunden oder Tage.
    Sie hatten sich mutmaßlich dort aufgehalten, wohin Nele, die greisen Kinder und dieser seltsame Mann, der alle drei Stunden tot umfiel, dann aber von selbst wieder auferstand, gerade verschwunden waren.
    »Meine Hand brennt!«, keuchte Wafa.
    »Wie Feuer?«, fiel ihm Zalay mit düsterer Miene ins Wort. »Bruder, sie brennt, seit ich denken kann. Wie oft habe ich mit dem Gedanken gespielt, sie mir abzuhacken.«
    Bayan blickte ihn entsetzt an. »Das hast du wirklich?«
    Zalay nickte bekümmert. »Ist dir das nie durch den Kopf gegangen?«
    »Niemals.«
    »Du Glücklicher.«
    Glücklich? Bayans Gedärme schienen sich zu einem Geflecht zusammenzuziehen. Bin ich das? Er schüttelte den Kopf. Vielleicht wäre ich es, wenn ich Rami wieder bei mir hätte - so, wie ich ihn in Erinnerung halten will. Nicht so, als wäre er… mein eigener Vater.
    »Lasst uns heimgehen«, sagte er. »Hier können wir nichts mehr tun. Uns bleibt nur zu hoffen, dass die Zauberin und ihr Begleiter dem gewachsen sind, was drüben auf sie wartet. Und dass sie vielleicht wirklich einen Weg finden, unseren Kindern die verlorene Jugend zurückzuholen.«
    »Traust du ihr das denn zu? Sei ehrlich!«, wandte sich Wafa an ihn, während er sich langsam wieder aufrichtete und mit der gesunden Hand gedankenverloren über die in Leder gehüllte strich.
    Bayan lauschte tief in sich hinein.
    »Das tue ich«, sagte er schließlich. »Halten wir die Hoffnung am Leben -denn solange sie da ist, sind Rami, Aun und Naru nicht verloren!«
    Mit Steinen markierten sie die Stelle, wo ihre Kinder die bekannte Welt verlassen hatten. Anschließend wandten sie sich mit hängenden Schultern ihrem Jeep zu, um nach Kerak zurückzukehren, die Stadt, in der sie aufgewachsen waren - und von klein auf ihr uraltes Geheimnis gehütet hatten.
    ***
    Nele wechselte in den Ghost-Modus.
    Für alle, die in diesem Moment keinen direkten oder indirekten Hautkontakt zu ihr hatten, wurde sie damit unsichtbar.
    Aber nicht nur sie verschwand vor den Blicken der Zurückbleibenden, auch Paul und die Kinder, die wie Greise aussahen, lösten sich für die Betrachter auf, die den Übergang nicht mitmachten.
    Zwischen Paul und Nele schritt der bucklige Aun daher, seine Linke in die Rechte von Nele verschränkt, seine Rechte in die Linke von Paul. Darüber hinaus führte Nele mit ihrer anderen Hand noch Rami und Naru auf den gleißenden Spalt zu, der, wenn ihre Überlegungen zutrafen, das Tor nach Eden darstellte.
    »Und wenn es nicht Eden ist?« Pauls kratzige Stimme transportierte die tiefe Verunsicherung, die ihn offenbar gepackt hatte.
    »Darüber haben wir lange beraten«, erwiderte Nele, ohne innezuhalten. Nur noch wenige Schritte trennten sie von der Schwelle, hinter der vor vielen Jahrhunderten Nikolaus verschwunden war, Neles Jugendliebe. Und der Mann, der sie im Abend ihres Lebens noch mit etwas beschenkt hatte, was sie die Zeiten hatte überdauern lassen: eine Frucht vom Baum des Lebens, die Nikolaus ihr aus dem verlorenen Paradies mitbrachte, zu dem er auf rätselhafte Weise Zutritt erlangt hatte. Zweimal sogar - nur dass er von seinem zweiten Besuch auch Jahrhunderte später noch nicht zurückgekehrt war. Da er, ebenso wie Nele,
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