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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende
Autoren: Judith Hueller
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gelegen zwischen Fußballstadion und Luftschutzbunker. Buden mit bunten Lichtern flankierten den asphaltierten Weg, während Gekreische aus den Fahrgeschäften zu ihnen herüberschallte.
    »Und nun?«, fragte Jule. »Alle zusammen ins Riesenrad? Oder nach was ist euch?«
    »Bier, Schnaps, Fischbrötchen«, lautete der schnörkellose Dreisatz von Krysztof.
    An der erstbesten Bude orderten sie Runde Eins, während Ewa den Stand daneben ansteuerte. Ein Eldorado für die Bogacz. Genüsslich schleckte sie an ihrem Eismohr und strahlte Jule glückselig an. Beflügelt zückte Jule ihre Geldbörse und shoppte ein Geschenk für ihre Süße. Ewa schluckte schwer, als Jule ihr die Schnur um den Hals legte. »Gefällt es dir?«
    »Wann kannst du endlich wieder vernünftig gucken?«
    »Wieso?« Jule rückte an ihrer Brille. »Du, nach den Augentropfen merke ich das Pfefferspray von heute Mittag überhaupt nicht mehr. Dieses Lebkuchenherz samt Spruch passt perfekt.«
    »›Für die allerliebste Oma‹?«, las Ewa vor.
    »Du musst nur das O und M wegknabbern, Fräulein. Und dir stattdessen ein E und ein W hindenken.«
    »Sorry. Ist mir zu hoch. Darf ich es umtauschen?«
    »Bogacz! Ich will dir eine Freude machen, also freu dich gefälligst und … Ach komm, gib her.« Einsichtig marschierte Jule mit dem Präsent zurück zum Stand und kehrte wieder mit … »Zuckerwatte und gebrannte Mandeln. Zufrieden?«
    »Du bist super, Jule.« Und dem Kompliment folgte ein Küsschen.
    Na bitte. Alles in Butter, äh, Zucker. Sie schlenderten weiter. Alle paar Meter blieben die Jungs an einer Bude stehen und eliminierten Kurze. Währenddessen hielt Jule ihre Süße mit gebrannten Mandeln bei Laune. Irgendwann schlang Ewa ihre Arme von hinten um Jules Hüften und schob sie im Kuschelmodus vor sich her über den Rummel. Für einen Moment schloss Jule die Augen. Unglaublich. Wie leicht sie sich fühlte. Abgetaucht in der Masse. Eingehüllt von Lichtern und Düften. Schwerelos. Berauscht von Ewa … Hier, mit ihr, tobte ein neues Leben. Und Jule wollte das, genau das. Alles ausblenden. Nicht denken. Einfach leben und verrückt sein. So forderte sie Ewa zum Duell beim Dosenwerfen und schoss ihr anschließend heldenhaft eine Plastikrose in Rot, die Ewa stolz im Knopfloch ihrer Jacke versenkte. Verliebt. Oh ja. Wahnsinnig verliebt. Später …
    »Wir sollten irgendwas fahren, Jule.«
    »Dann kotzt du.«
    »Quatsch. Hältst du mich für ein Weichei?«
    »Fräulein, du hattest den Eismohr, die Mandeln, den Crepes, das Schmalzgebäck, die Schokobanane, die Waffel …«
    »Und Zuckerwatte, ja-ha. Na und? Mir geht’s prima. Lass uns irgendwo rein. Ja? Komm schon.« Wie eine Vierjährige klammerte sich Ewa an Jules Hand und setzte ihren bestechenden Hundeblick ein.
    Den muss ich dir noch abgewöhnen, Fräulein. Der macht mich Matsch. Suchend sah sich Jule um, nach dem geringsten Übel. Loopings ausgeschlossen. »Wie wäre es mit …?«
    »Autoscooter«, sagte Ewa wie aus der Pistole geschossen.
    »Geisterbahn«, kam zeitgleich Jules Vorschlag. Prima. Was jetzt? Schnell fummelte sie eine Münze aus ihrer Tasche. »Wir klären das zivilisiert. Vogel ist Autoscooter, Zahl ist Geisterbahn.« Und hep – der Euro wirbelte durch die Luft, landete auf dem Asphalt, rollte weiter und flupp: Entscheidung für den Gulli.
    »Toll, Jule. Ganz toll.«
    Hätte ja klappen können. »Tja. Und nun, Süße?«
    »Eindeutig Autoscooter.« Ohne eine Antwort abzuwarten zog Ewa Jule mit sich, kaufte Chips am Schalter und schwang sich in einen roten Flitzer. Jule setzte sich neben sie.
    »Wie jetzt?« Ewa schaute sie an. »Wieso nimmst du dir keinen eigenen Wagen?«
    Jule hob eine Augenbraue. »Weil wir ein Paar sind. Gewöhn dich dran. Also Flossen weg vom Lenker, ich fahre.«
    Über ihnen zuckten Discolichter. Ein hämmernder Beat bohrte sich in Jules Trommelfell. Am Bahnrand balzten Teenies, auf der Bahn herrschte Geschiebe. Das übliche Bild.
    »Versteh mich nicht falsch, Jule, aber … das bringt’s nicht.«
    »Warum? Ist doch nett.« Unbehelligt tuckerten sie an der Außenbande längs, Runde um Runde, immer schön im Kreis. Jule war die Ruhe selbst. Konsequent blieb sie auf Abstand zu allen pubertierenden Rowdies und legte Ewa entspannt den Arm um die Schultern. »Süße, ich gestehe. Erst war ich skeptisch. Aber gerade finde ich das total toll.«
    »Ach ehrlich?«
    »Denk nur an unsere Fahrt nach Hamburg in diesem klapprigen Golf. Und jetzt? Keine Diskussionen, keine
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