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Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben
Autoren: Adriana Trigiani
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perfektes, glattes Werk abliefern; ich wollte einfach kreativ sein. Ich habe versucht, May McGlynn treu zu bleiben und ihre Geschichte zu erzählen.
    Wären meine Eltern hier, würden sie mir versichern, dass es darum geht, etwas Künstlerisches zu schaffen und lebendig werden zu lassen – die Geschichte nicht mit meinem Ego zu übertönen. Aber ich habe ein Ego! Und ich möchte unbedingt, unbedingt einen Preis für meine Arbeit bekommen!
    Als die Studentin mit dem Korb vorbeikommt, um die Stimmen für den Publikumspreis einzusammeln, stimmen wir gemeinsam für den Großmutter-Film. Ich hoffe, das Mädchen gewinnt den ersten Platz. Das kann den Tod ihrer Großmutter zwar nicht ungeschehen machen, aber es wird sie ein bisschen aufheitern.
    Ich schaue zu Jared, der in seinem Sitz hockt, die Fäuste an den Mund gepresst. Ich kann nicht fassen, dass das der gleiche Junge ist, der so lieb zu mir war, der während eines Schneesturms eine Mifahrgelegenheit fand, um mir ein Weihnachtsgeschenk zu bringen, und der mir ohne einen Funken Neid von diesem Wettbewerb erzählte. Der Jared Spencer, den ich vor mir sehe, wirkt total egoistisch und sogar ein bisschen fies. Heute hätte ich seine Unterstützung gebraucht, und genau die konnte oder wollte er mir nicht geben.
    Mrs. Zidar und Trish schlüpfen auf zwei freie Sitze hinter uns. Beide klopfen mir ermutigend auf die Schultern. Mrs. Zidar, die ich bei dem Schulanfangs-Picknick noch so doof gefunden hatte mit ihren altmodischen Karottenhosen, ist eine echte, verlässliche Stütze geworden. Und Trish ist zwar eine schreckliche Schauspielerin und kann mit ihrer penetrant guten Launeganz schön nerven, aber sie bemüht sich wenigstens. Und beide sind für mich da, das muss ich fairerweise sagen.
    Die Jury beginnt, die Auszeichnungen zu verkünden. Marisol, Romy, Suzanne und ich halten uns an den Händen. Der Technikpreis geht an die singende Katze, anschließend kommen die Preise für die besten Filme, angefangen mit einer lobenden Erwähnung. Die erhält das Mädchen, das den Film über die Bomben bauende Frau gemacht hat. Sie geht auf die Bühne. Dann liest der Preisrichter, der aussieht wie ein erschöpfter Lehrer kurz vor dem Ruhestand, den dritten Platz vor. Er geht an einen Typ, der einen Film über drei Generationen von Bierköniginnen bei einem Jahrmarkt im Mittleren Westen gemacht hat. Der Film war wirklich witzig.
    »Wir gehen bestimmt leer aus«, prophezeie ich.
    »Zweiter Platz: Viola Chesterton für Die May-McGlynn-Story .«
    Romy, Marisol und Suzanne springen auf und fangen an zu kreischen. Ich erstarre und glaube, in Ohnmacht zu fallen. Die Kante des Schokoriegels drückt gegen meine Kehle. Ich kann nicht atmen.
    »Los, geh schon!« Trish gibt mir einen Schubs.
    »Geh auf die Bühne!«, sagt Mrs. Zidar.
    Ich gehe durch den Gang nach vorne. Meine Beine sind weich wie verkochte Spaghetti, und ich wünschte, ich hätte vorhin im Klo ein wenig Lipgloss aufgelegt. Ich gehe zur Bühne und steige die Stufen hinauf. Jeder Schritt fühlt sich an, als hätte ich Beton in meinen Keilstiefeln. Der Preisrichter schaut mich an, als würde er am liebsten sagen: »Beeil dich, ich muss gleich zum Unterricht«, deshalb haste ich irgendwie auf ihn zu und nehme meinen Preis entgegen. Ich schaue ins Publikum, und der erste, den ich sehe, ist Jared, der verkniffen lächelt undapplaudiert, aber nur ganz langsam mit drei langen Klatschern, keine vielen kurzen, die viel Lärm machen. Ich schaue zu meinen Mitbewohnerinnen, die immer noch kreischen und hüpfen vor Freude.
    »Setzt euch bitte, Mädchen«, sagt der Preisrichter ins Mikrofon. »Und nun: Der Gewinner des diesjähren Filmwettbewerbs des Verbunds der weiterführenden Schulen im Mittleren Westen ist Großmutters letzter Tag von Chevon Brickey.«
    Jubelschreie brechen in der Mitte des Saales aus, während Chevon sich auf den Weg zur Bühne macht. Sie hat den Sieg verdient, und ich freue mich, hinter ihr den zweiten Platz bekommen zu haben. Sie kommt auf die Bühne. Die anderen Gewinner scharen sich um sie.
    »Und nun der Publikumspreis.« Der Preisrichter nimmt den Umschlag von einem Dozenten entgegen, der in der ersten Sitzreihe sitzt. »Chevon Brickey für Großmutters letzter Tag .«
    Das Publikum applaudiert lang und laut für die Siegerin. Chevon hält ihre Pokale in die Höhe, während ihre Mutter und ihre Lehrer zur Bühne kommen, um sie zu fotografieren. Mrs. Zidar, Trish, Marisol, Romy und Suzanne holen ihre Handys heraus und
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