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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel
Autoren: Felix Huby
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    Ernst Bienzle sitzt mißmutig am häuslichen Küchentisch und stochert mit dem Kaffeelöffel in seinem Joghurtbecher herum. Er blinzelt zu Hanna, seiner Frau, hinüber. Den Bademantel hat sie nun schon seit mindestens zehn Jahren. Ich sollte ihr mal einen neuen schenken, denkt er und dann gleich: Wozu auch? Ein neuer Bademantel würde sie auch nicht verändern... Ernst Bienzle schiebt den Löffel in den Mund. Da läßt er ihn stecken, ohne den wabbeligen Joghurt hinunterzuschlucken.
    »Guck net so«, mümmelt seine Frau, »du träumst. Ein Kriminalkommissar, der träumt -«
    Er schaut sie unverwandt an und murmelt den Löffelstiel entlang: »Von wegen träumen...« Dann nimmt er den Löffel aus dem Mund, stößt ihn in den Plastikbecher zurück, steht auf, greift seinen Trenchcoat und eine abgewetzte angeschmutzte Aktentasche, imitiert einen Kuß aufs ungeordnete Haar seiner Ehefrau, verläßt das Häuschen am Stadtrand von Stuttgart, klettert in seinen VW-Variant, fährt, ohne zurückzusehen, los, hält drei Straßenecken weiter vor der Metzgerei Schäuffele, verlangt »ein viertel Pfund warmen Leberkäs«, erfährt, daß es um diese Zeit noch keinen warmen Leberkäse gibt, verlangt daraufhin »dreihundert Gramm kalten Leberkäs und ein Brötchen«, verbittet sich, daß die Metzgersfrau das Vesper einwickelt, schiebt das Stück Leberkäse mit einer Hand in den Mund, zahlt mit der andern, wirft der Frau hinter der Theke einen wütenden Blick zu, als sie sagt: »Sie sind wohl zur Zeit gerade wieder auf Diät gesetzt, Herr Bienzle?«, und macht sich auf den Weg ins Büro.
    Im Autoradio hört er Nachrichten. Atomgegner haben wieder einmal erfolgreich das Gelände für ein geplantes Kernkraftwerk besetzt, die Polizei ist nach heftigen Auseinandersetzungen abgezogen. Die Besetzer richten sich auf längere Zeit ein, bauen jetzt ein Gemeinschaftshaus...
    »Gut so«, murmelt der Kommissar. Vor einem Jahr hatte er den Diebstahl radioaktiven Mülls aus dem Kernkraftwerk in Weihersbronn und einen damit zusammenhängenden Mordfall zu klären. Seitdem sind seine Vorurteile gegen Atomkraftwerke womöglich noch gewachsen. Dann plötzlich richtet er sich hinter seinem Steuer ruckartig um wenige Zentimeter auf.
    Knut Jarosewitch, ein in Stuttgart wohlbekannter Schmuckkaufmann, sagt die teilnahmslose Stimme des Sprechers, ist auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Am Hochtauern in Österreich haben Autofahrer den auf mehrere Millionen Vermögen geschätzten Kaufmann erschossen in seinem Wagen aufgefunden.
    »Es gibt doch nichts Ungenaueres als solche Radionachrichten«, schimpft Bienzle. Knut Jarosewitch, der wohlbekannte Stuttgarter Schmuckhändler, der Hehler, den man nie zu fassen kriegte... Jetzt hatte ihn wohl einer zu fassen bekommen.
    Bienzle empfindet keine Genugtuung. Er weiß, daß seine Kollegen oft versucht haben, den Juwelier zu überführen. Jeder in Stuttgarts Altstadt wußte, daß er Schmuck aus Einbrüchen aufkaufte, zerlegte, neu faßte und weiterverkaufte. Einmal im Sommerurlaub hatte Bienzle die Weiße Wolke, einen wegen seines Captagon-Verbrauchs so genannten Kleingangster, auf Mallorca getroffen. »Wie kommen Sie denn in so a feins Hotel?« hatte Bienzle ihn gefragt. Nach drei Abenden und diversen Pernods an der Hotelbar wußte der Kommissar, daß dies erstens kein feines Hotel sei, gemessen an... und daß zweitens ›eine Reisetasche voller Klunker bei Jarosewitch‹ noch allemal einen runden Pauschalbetrag von siebeneinhalb Riesen einbringe. Einzige Bedingung des Schmuckhändlers: der Lieferant müsse für zwei bis drei Monate verschwinden, am besten auf eine Insel weit weg; und da gebe es doch so billige Flüge mit Reisebüros nach Teneriffa oder Mallorca.
    Ein paar Wochen später, daheim in der Weltstadt zwischen Wald und Reben, wollte die Weiße Wolke nichts mehr davon wissen. Der kleine Ganove war in die Polizeidirektion in der Dorotheenstraße gekommen, weil er im Vollrausch versucht hatte, einen Taxifahrer mit vorgehaltener Pistole dazu zu zwingen, einen Zwergesel, den er im Remstal erstanden hatte, in die Stadt zu fahren. Das war das einzige Mal, daß man bei der Weißen Wolke eine Waffe gesehen hatte.
    Bienzle schiebt das letzte Stück Brötchen zwischen die Zähne und wischt seine Finger an der Seite seines Fahrersitzes ab. Mißmutig schaut er auf seinen Bauch, über dem sich das weiße, jetzt mit Krümeln übersäte Hemd spannt.
    Im Büro wirft er den Mantel über die offene Hängeregistratur,
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