Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Tage im August

Vier Tage im August

Titel: Vier Tage im August
Autoren: Silvio Blatter
Vom Netzwerk:
obwohl ihre Stimme so schrill geklungen hatte, dass er die Augen schließen musste.
    Im Dunkel eine Neonschrift.
    Hotel, las er und King Fisher.
    Iris steuerte geradewegs darauf zu und zog ihren widerspenstigen Mann am Ärmel mit. Zimmer frei, stand auf dem Schild neben der Tür, in schnörkeligen Buchstaben. Nach vergeblichen Anläufen, nach all dem Achselzucken und Tut-uns-leid -G etue war das endlich ein Hoffnungsfunke. Doch Paul blieb skeptisch, sein Groll auf die Umstände war stärker als die verlangte Zuversicht.
    In dem schmalen, hohen Haus, nicht eben ein Palazzo, schien niemand zu wohnen, alle Fenster waren dunkel. Ein Außenlicht brannte, eine zerbeulte Laterne, in deren Schein Paul Wasserschäden an der Fassade registrierte. Einzig die Eingangstür war neu. Ein massiver Stahlrahmen, dickes Panzerglas. Dahinter erstreckte sich der kaum beleuchtete Flur zum Empfangsraum. Iris betätigte die Klingel, ein wohlklingender, elektronischer Gong war zu hören. Paul blickte zum Himmel hoch. Der schmale Streifen über der Gasse war vollkommen schwarz, opak, als bestünde der Himmel aus Tinte.
    Ein Inder öffnete die Tür und bat sie herein, ein schmaler, noch junger Mann mit schwarzen Augen und schwarzem Haar und Zähnen so weiß in diesem zwielichtigen Ambiente, als reinigte er sie täglich mit Phosphor.
    Sie folgten ihm auf verschlissenen Teppichen. Das Haus duftete nach erkalteten Räucherstäbchen, orientalischen Gewürzen und parfümiertem Kerzenwachs, unverkennbar mit einem Hauch Schweiß vermischt. Die Tapeten waren stockfleckig und das Muster, nur in einzelnen Partien erhalten, erinnerte an bessere Zeiten. Eine gerahmte Fotografie an der Wand zeigte die Hände einer Frau, sie hatte sich mit Henna Liebesstellungen aus dem Kamasutra daraufmalen lassen. Iris wies Paul auf die Fotografie hin, auf die Vielfalt, auf die Variationen. Die Hände der Frau bannten ihn. Und heiterten ihn auf. Paul wusste gleich, dass er sie fotografieren musste, vor der Abreise, unbedingt.
    Über der Rezeption hingen an goldenen Ketten befestigte Lampen, weiße Kugeln, in denen tote Insekten wie Brösel lagen. Ein breiter Bildschirm flimmerte, Iris und Paul hatten den Mann beim Fernsehen gestört, ein Fußballspiel wurde übertragen, die eindringlichen Gesänge der Fans klangen, als fände das Spiel im Keller des Hauses statt.
    Nichts in diesem Hotel entsprach ihren Vorstellungen. Nichts war so, wie Paul und Iris es gern gehabt hätten. Wenn es um Komfort ging, fiel es Paul leicht, ein paar Abstriche zu machen. Er benötigte heute nur noch zwei Dinge, eine Mahlzeit und ein Bett.
    Iris nickte, einverstanden, bleiben wir hier, sie war zu erschöpft für alles andere, zu überdreht, und es erwies sich immer noch als hilfreich, ihre Odyssee als Komödie zu betrachten.
    Mann, oh Mann, seufzte sie.
    Paul zwang sich, ganz ruhig zu bleiben. Sie waren ein eingespieltes Paar, klug genug, jetzt nicht zu streiten. Keiner hatte die Irrfahrt gewollt, weder Iris noch Paul hatten den Wunsch gehabt, in Genua in einem von Indern geführten Hotel zu landen.
    Der Inder verlangte Vorauszahlung. Die Kreditkarte lehnte er ab. Paul zählte den Betrag ungerührt auf den Tresen. Iris füllte den Meldezettel vollständig aus. Der Inder lächelte und strich jeden einzelnen der Scheine mit dem Daumen glatt, bevor er das Geld in einen Tresor einschloss. Seine Hände waren schmal, mit sehr hellen Nägeln und rosa Innenflächen, auf denen sich die Linien dunkel abhoben.
    Bekommen wir auch etwas zu essen, fragte Paul.
    Der Inder zuckte mit den Schultern.
    Es ist keiner mehr in der Küche.
    Paul hob kurz die Brauen.
    Meine Frau könnte ein indisches Gericht zubereiten, lenkte der junge Mann ein, wenn Sie das mögen.
    Und wie, sagte Paul.
    Der Inder übergab ihnen den Zimmerschlüssel. Er war aus billigem Metall gefertigt und gelb gefärbt, irgendeineminderwertige Legierung, und wog nichts. Paul steckte den Schlüssel ein. Er hatte Lust, die Hand in der Tasche zu belassen, um zu prüfen, ob sich das Ding verbiegen ließe.
    Wir holen zuerst das Auto, sagte Iris.
    Parken Sie neben dem Eingang, schlug der Inder vor.
    Im Speisesaal warteten sie auf die versprochene Mahlzeit. Sie saßen an einem runden Tisch aus schwarz lackiertem Holz, unter einer Lampe mit einem blauen Seidenschirm. Aus der anliegenden Küche, man sah das Licht durch eine Luke, drangen eindeutige Geräusche, Hacken und Brutzeln, und Stimmen, das Fußballspiel lief jetzt dort. In der Mitte des Raumes drehte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher