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Verwunschen

Verwunschen

Titel: Verwunschen
Autoren: Ulrike Schweikert
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als die beiden hereinkamen.
    »Schnell, holt Gläser und Besteck«, sagte sie. »Dann können wir anfangen, ehe es kalt wird.«
    Es schmeckte gut, und Brenda unterhielt die Kinder mit lustigen Geschichten aus ihrer Familie, die ziemlich groß sein musste. Die Zwillinge gaben ziemlich schnell den Versuch auf, sich die vielen Namen zu merken. Jedenfalls redete Brenda wie ein Wasserfall, bis sie ihre Teller geleert hatten.
    »Und was habt ihr heute gemacht?«, erkundigte sie sich, als sie heißes Wasser in die Spüle laufen ließ.
    »Wir waren bei der Burg«, sagte Mona ein wenig ausweichend. Patrick nahm sich ein Geschirrtuch vom Haken und drückte seiner Schwester ebenfalls eines in die Hand.
    »In der Burg«, wiederholte Brenda und zog eine Grimasse, die zum ersten Mal ihr warmes Lächeln vertrieb.
    »Ja, Grandma hatte nie etwas dagegen«, fügte Patrick schnell hinzu, um einem eventuellen Verbot zuvorzukommen. Doch Brenda schien nicht an die Gefahren, die von der Ruine ausgehen konnten, zu denken.
    »Dann habt ihr sie gesehen, nicht wahr?«
    »Wen?«, erkundigte sich Mona vorsichtig.
    »Diese Leute, die dort in dem alten Stallungshäuschen wohnen.«
    »Wir haben ein Mädchen getroffen, vermutlich ein wenig jünger als wir«, gab Mona zu.
    »Wer wohnt denn da alles?«, hakte Patrick nach.
    »Das Mädchen, Kylah, ihr jüngerer Bruder Finn und ihr Großvater. Keiner weiß, woher sie gekommen sind. Nun, vielleicht haben sie es Myrna erzählt. Ich weiß es jedenfalls nicht und die Leute im Dorf auch nicht.«
    Die Zwillinge tauschten Blicke. Sie konnten sich lebhaft vorstellen, wie die Bewohner des kleinen Dorfes Cong über die Fremden klatschten und jede noch so kleine Neuigkeit genüsslich ausbreiteten und immer wieder durchkauten.
    »Dann sind sie einfach so in eins der Gebäude auf Grand Myrnas Grundstück eingezogen?«, fragte Mona ungläubig.
    Brenda wand sich. »Nein. Myrna sagt, sie habe es ihnen angeboten. Gott weiß, warum. Ich war nicht dabei.« Sie seufzte, und den Geschwistern war klar, wie sehr sie es bedauerte, nicht Zeuge dieser Unterredung gewesen und nur auf Mutmaßungen angewiesen zu sein. Sie schnaubte, und es war klar, dass sie von den neuen Bewohnern ganz und gar nichts hielt. Die Zwillinge schwiegen und erzählten lieber nicht, dass sie sich später wieder mit Kylah treffen wollten.
    Daraus wurde allerdings nichts. Brenda nahm die Zwillinge in ihrem klapprigen alten Auto mit ins Krankenhaus, um ihre Grandma zu besuchen – während Cera unter Prostest zurückbleiben musste –, und als sie zurückkamen, dirigierte sie die Kinder wieder in die Küche, um beim Richten des Abendessens zu helfen. Während sie aßen, dämmerte es bereits, und als sich die Nachbarin endlich verabschiedete, war die Nacht hereingebrochen.
    Patrick und Mona sahen ihr nach, wie sie davonfuhr und in der Dunkelheit verschwand. »Nachbarin« war hier – anders als in Hamburg, wo man Tür an Tür wohnte – ein dehnbarer Begriff. Bis zu Brendas Haus war es ein strammer Fußmarsch an der Landstraße entlang.
    »Und was machen wir jetzt?« Die Zwillinge gingen ins Haus zurück, schlossen sorgfältig die Tür und schoben den Riegel vor. Mona ging durch die Diele ins Wohnzimmer, dessen beide Fenster nach hinten zum Garten gingen. In der Ferne zeichnete sich die Silhouette der Burgruine vor dem nächtlichen Himmel ab, an dem sich bereits ein paar Sterne zeigten. Mona glaubte einen rötlichen Schein ausmachen zu können. Vielleicht saß Kylah mit ihrem Bruder und dem Großvater dort auch gerade beim Abendessen.
    »Sollen wir noch mal rübergehen?«, fragte Patrick. Er trat in den Flur und öffnete die Hintertür. Mona gesellte sich zu ihm und sah hinaus in den Garten. Cera drückte sich an ihre Beine und knurrte leise. Mona konnte unter ihren Fingern spüren, wie sich ihr Fell im Nacken aufstellte.
    Inzwischen war es so dunkel, dass man nicht einmal mehr bis zum Gartentor sehen konnte. Dahinter breitete sich undurchdringliche Finsternis aus. Der Wind fuhr in Böen herab und bog die Zweige der seltsam knorrigen Obstbäume, die sich hinter der Feldsteinmauer zu ducken schienen. Die kahlen Äste eines abgestorbenen Baumes ragten wie knochige Finger in den Himmel. Zaghaft traten sie einige Schritte in den Garten. Mona zuckte zusammen, als eine Schleiereule schrie. Es schien so viel Schmerz in dem Ruf zu liegen, dass er ihr regelrecht in den Magen fuhr. Noch einmal klagte der Nachtvogel, dann stürzte er sich vom Dachfirst ins Dunkel des
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