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Verwunschen

Verwunschen

Titel: Verwunschen
Autoren: Ulrike Schweikert
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führte, waren in dem Dämmerlicht mehr zu erahnen als zu sehen.
    Der Wind strich seufzend um das Haus. Irgendwo knackte es. Die alten Dielen über ihren Köpfen stöhnten. Mona unterdrückte den Impuls, nach der Hand ihres Bruders zu greifen. Stattdessen fasste sie in Ceras gesträubtes Fell. Mutig machte sie noch einige Schritte vorwärts und blieb dann wie angewurzelt stehen.
    »Großmutter?«, hauchte sie und starrte entsetzt auf die Gestalt, die leblos am Fuß der Treppe lag.



G ott sei Dank ist es nur ein gebrochenes Bein«, sagte Mona mit einem Seufzer der Erleichterung. Ihr Bruder nickte zustimmend.
    Sie standen in der offenen Tür des Cottages und winkten ihren Eltern hinterher, die sich von ihrer Großmutter tatsächlich hatten überreden lassen, am nächsten Morgen wie geplant abzureisen.
    »So, und was machen wir jetzt?«, fragte Mona. Ihr neuer »Babysitter« hatte sich noch nicht gezeigt.
    »Erst mal ein zweites Frühstück«, schlug Patrick grinsend vor, der ständig Unmengen futterte, ohne dass dies etwas an seiner schlanken Statur änderte.
    Cera wedelte begeistert mit dem Schwanz. Gemeinsam gingen die Geschwister ins Haus zurück. Sie bestrichen sich einige Scheiben Brot dick mit Butter und Marmelade und gossen sich frische Milch in ihre Gläser. Genüsslich biss Mona in ihre Brotscheibe. Es ging doch nichts über selbst gekochte Marmelade! Ihr Bruder leerte seinen Kakao und rührte sich dann gleich noch eine Portion an.
    »Das war knapp«, sagte er. »Ich habe uns schon auf dem Rückweg nach Hamburg gesehen.«
    Mona nickte. Sie konnte es selbst noch nicht ganz fassen, dass ihre Pläne doch noch Wirklichkeit werden sollten. Sechs Wochen Sommerferien bei ihrer Großmutter in Irland! Nun, zumindest in ihrem Haus. Die ersten zehn Tage würde sie wohl noch im Krankenhaus bleiben müssen, doch ihre Nachbarin Brenda hatte versprochen, sich um die Kinder zu kümmern, während ihre Mutter den Vater auf seiner Geschäftsreise nach China begleitete.
    »Das wird super«, meinte Mona, nahm das zweite Brot und trug es mit ihrem Milchglas hinüber ins Wohnzimmer. Dort richtete sie sich auf dem Sofa häuslich ein und legte ihr Notizbuch und einen Stift bereit. Noch immer kauend schlug sie eine leere Seite auf und begann zu zeichnen. Das war ihre große Leidenschaft – neben dem Reiten natürlich. Sie zeichnete alles, was sie sah oder ihr einfach so in den Sinn kam. Selbst ihr Bruder musste zugeben, dass sie darin gar nicht übel war. Patrick war selbst künstlerisch allerdings eine ziemliche Niete, die Bücher, die er ständig mit sich herumschleppte, enthielten Geschichten. Allerdings teilte er Monas Leidenschaft für Pferde und hoffte wie sie, dass sie hier in Irland würden reiten dürfen.
    Stille senkte sich herab. Während Patrick in seinem Abenteuerroman versank, glitt Monas Stift über das Papier. Sie malte dunkle Gewitterwolken, von einem Blitz zerrissen, und zerzauste Bäume, deren Äste sich wie Klauen in den Himmel reckten. Nasse Schafe drückten sich in den Schutz einer Hecke.
    Sie blätterte die Seite um und begann das Haus der Großmutter zu skizzieren, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Das würde sie später noch einmal versuchen, wenn sie es sich von außen genauer angesehen und ihre Erinnerung aufgefrischt hatte. Sie überlegte gerade, ob sie eine Skizze des Wohnzimmers anfertigen sollte, als in der Küche etwas krachend zu Boden fiel. Glas splitterte.
    Mona ließ vor Schreck den Stift fallen, Patrick zuckte über seinem Buch zusammen. Cera sprang kläffend auf.
    »Was war denn das?«
    Sie starrten zur Tür. Außer ihnen war doch niemand im Haus?
    Nachdem ihre Erstarrung sich gelöst hatte, liefen die beiden Geschwister in die Küche. Die Bescherung war nicht zu übersehen. Ein Marmeladenglas lag zerbrochen auf dem Fliesenboden. Mona beugte sich herab.
    »Wie konnte das denn passieren? Es stand dort oben auf dem Regal bei den anderen.«
    Patrick kauerte sich neben sie. »Siehst du das?«
    Mona betrachtete die kleinen Abdrücke in der Marmelade, die sich als klebrige Spur ein Stück über den Küchenboden zogen und dann verschwanden.
    »Ich glaube, Grand Myrna hat ein Mäuseproblem.«
    Patrick beugte sich tiefer zu der Spur hinab. »Wenn das die Spur einer Maus sein soll, dann war das eine verdammt große!«
    Mona zog eine Grimasse. »Iiih, meinst du, es war eine Ratte? Ich habe ja nichts gegen niedliche kleine Mäuse, aber eine Ratte – igitt!«
    Patrick stimmte ihr in diesem Punkt zu,
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