Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwunschen

Verwunschen

Titel: Verwunschen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
kurze Tonfolge. Wieder erklang ein Wiehern, dann tauchte ein geschecktes Pony zwischen den Mauerresten auf und lief auf das Mädchen zu. Es steckte ihm eine Belohnung zu und streckte dann die Arme aus. Das Pony begann in einem weiten Kreis um sie herumzutraben und fiel auf ein Schnalzen hin in Galopp. Das Mädchen lief los, schwang sich mit einem eleganten Sprung auf den Rücken des Ponys und richtete sich langsam auf, bis sie mit ausgebreiteten Armen dastand. Während das Pony weiter im Kreis galoppierte, vollführte sie einige Übungen, ehe sie mit einem Überschlag zur Erde zurückkehrte.
    »Nicht schlecht«, kommentierte Mona mit ein wenig Neid in der Stimme.
    Das fremde Mädchen fuhr herum und ließ seine dunklen Augen die Mauer entlangschweifen, hinter der sich die Zwillinge verbargen.
    »Kommt heraus! Wer seid ihr?«
    Mona und Patrick kletterten über die Mauer und traten auf das Mädchen zu. Cera folgte ihnen mit einem Satz und setzte sich dann aufrecht zwischen die beiden.
    »Wer seid ihr?«, wiederholte das Mädchen. »Ihr habt hier nichts zu suchen. Das ist Privatbesitz!«
    Das Mädchen sprach einen seltsamen Dialekt, doch Patrick und Mona hatten keine großen Schwierigkeiten, sie zu verstehen. Zu Hause hatte ihre Mutter meist Englisch mit ihnen gesprochen, während der Vater stets Deutsch redete. So lernten sie von klein auf beide Sprachen und konnten dem fremden Mädchen mühelos in deren Muttersprache antworten.
    Patrick schnaufte empört. »Ja, genau. Das Land hier gehört den O’Connors, also ist die Frage wohl eher, was du hier zu suchen hast!«
    »Ich wohne hier!«, behauptete das Mädchen hochmütig.
    »Wir wohnen hier ebenfalls!«, gab Mona zurück.
    »Hier?« Das Mädchen blinzelte verwirrt.
    Patrick deutete in Richtung des Hauses. »Ja, bei unserer Grand Myrna.«
    »Meint ihr Mrs O’Connor? Wie nennt ihr sie?«
    Mona grinste ein wenig verlegen. »Sie ist unsere Großmutter – unsere Grandma – und heißt Myrna, aber da uns das zu lang war, haben wir sie irgendwann nur noch Grand Myrna genannt.«
    Das Mädchen nickte. »Ach so. Und warum sprecht ihr so seltsam? Aus der Gegend seid ihr jedenfalls nicht.«
    »Wir wohnen in Hamburg. Unser Pa stammt von dort.«
    Wieder nickte das Mädchen, dann wandte es sich wieder seinem Pony zu, das hinter ihm stehen geblieben war und seine Nüstern an ihrem Hals rieb. Plötzlich fuhr sie herum und richtete ihre dunklen Augen wieder auf die Zwillinge. Sie sah die beiden so durchdringend an, dass Mona unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.
    »Ihr könnt gar nicht bei Mrs O’Connor wohnen. Ich weiß, dass sie ins Krankenhaus gebracht worden ist!«
    Patrick nickte. »Das stimmt. Sie ist unglücklich die Treppe hinuntergefallen und hat sich das Bein gebrochen … Ganz schönes Pech!«
    Das Mädchen schüttelte so wild den Kopf, dass sich das Band löste und ihre Locken flogen. »Das hat mit Pech nichts zu tun. Es waren sicher die Unsichtbaren.«
    Patrick schnaubte. »Unsichtbare! Was ist denn das für ein Quatsch?«
    »Diese Wesen sind kein Quatsch!«, brauste sie auf. »Und es ist nicht ratsam, es sich mit ihnen zu verderben. Das hat eure Großmutter inzwischen vielleicht begriffen.«
    Patrick schüttelte den Kopf. »Uhuhu, das sind ja voll die Gruselgeschichten«, sagte er grinsend an Mona gewandt. »Ich mach mir gleich in die Hosen.«
    »Solltest du auch«, fauchte das Mädchen. »Sonst wirst du es noch bereuen.«
    Patrick hob die Schultern. »Meinst du, ich hab vor so ’ner kleinen Pipi Langstrumpf wie dir Angst?«
    Erst blickte das Mädchen wütend drein, doch dann zuckte es mit den Schultern. »Na, ihr werdet schon sehen«, murmelte sie. »Aber gut so, dann bin ich euch wenigstens los.«
    Patrick wollte aufbrausen, doch Mona griff nach seinem Arm. Klar, das war nicht gerade nett, aber Patrick hatte sie zuerst beleidigt.
    »Du hast ein schönes Pony«, sagte Mona versöhnlich. »Dürfen wir dir zusehen?«
    »Nein!«, wehrte das Mädchen ab. »Ich will üben, da stört ihr nur. Habt ja von nichts ’ne Ahnung.«
    Nun wurde auch Mona wütend. »Ach ja, dann lass dein Pony noch mal im Kreis galoppieren, dann zeig ich dir, wer hier Ahnung hat.«
    Sie nahm ihre Brille ab und reichte sie Patrick. »Pass auf«, murmelte der. »Du kennst das Pony nicht.«
    Mona machte eine wegwerfende Handbewegung. »Schau nicht so besorgt drein, Brüderlein. So kenne ich dich gar nicht. Ich mach das schon. Viel wichtiger ist, dass es daran gewöhnt ist, jemanden auf seinem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher