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Diener des Boesen

Diener des Boesen

Titel: Diener des Boesen
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Kapitel Eins
     
    Am Fest der Enthauptung Johannes des Täufers
    Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
    (Montag, 29. August 1379)
     
     
     
    In Gedanken versunken stand Margaret auf einem der abgeernteten Felder an der nördlichsten Grenze von Halstow Hall. Ein warmer Wind umspielte ihre Röcke und ihr Haar. Die Ernte war eingebracht worden, und feiner Weizenstaub umgab ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Die Sonne stand hoch am Himmel, und obwohl Margaret wusste, dass sie schleunigst ins Haus zurückkehren sollte, wenn sie sich nicht einen Sonnenbrand auf Wangen und Nase holen wollte, verweilte sie noch ein wenig und ließ den Blick ruhig und nachdenklich über die Landschaft schweifen.
    In der Ferne sah sie die Mauern von Halstow Hall aufragen. Dort lag Rosalind in ihrem Bettchen und schlief, behütet von ihrem Kindermädchen Agnes. Margarets Augen glitten über die hohen Mauern, die den Gutshof umschlossen. Wie jeden Nachmittag übte sich Thomas dort vermutlich gerade im Fechten, zusammen mit seinem Knappen Robert Courtenay, der sich vor kurzem bei ihm verdungen hatte, einem sympathischen und gut aussehenden jungen Mann von ausgesuchter Höflichkeit und Ausgeglichenheit.
    Margaret presste die Lippen zusammen, als sie an die Scherze dachte, die die beiden Männer für gewöhnlich während der Waffenübungen austauschten. Thomas begegnete Courtenay mit freundschaftlicher Achtung. Wie sehr wünschte sie, sie könnte dasselbe von sich behaupten!
    »Wie kann ich auf seine Liebe hoffen«, flüsterte sie, den Blick immer noch auf die Mauern gerichtet, »wenn ich nicht einmal seine Freundschaft erringen kann?«
    Margaret war zwar Thomas’ Gemahlin, doch wusste sie seit ihrer Hochzeitsnacht, dass er sie nicht liebte.
    Margaret hätte nicht geglaubt, dass seine Gleichgültigkeit sie so sehr schmerzen würde. Allerdings war ihr zuvor auch nicht klar gewesen, wie dringend sie seine Liebe brauchen würde; wie sehr sie hoffte, sie könne ihm so viel bedeuten, dass er ihr Wohlergehen über alles andere stellte.
    Das war das Ziel, das sie und die Ihren zu erreichen hofften – Thomas dazu zu bringen, dass er Margaret zuliebe seine Verpflichtungen der Kirche und den Engeln gegenüber vergaß –, doch Margaret wusste, dass ihre Sehnsüchte noch weit darüber hinausgingen. Sie wünschte sich ein Zuhause und eine Familie, und vor allem wünschte sie sich einen Gemahl, der ihr Achtung und Liebe entgegenbrachte.
    Sie sehnte sich von ganzem Herzen nach Thomas’ Liebe, doch bislang war all ihr Hoffen vergebens gewesen.
    Margaret wandte den Blick von Halstow Hall ab und betrachtete das Land und die Möwen, die in der Ferne über der Mündung der Themse ihre Kreise zogen.
    Sie hatten ein paar schöne Monate in Halstow Hall verbracht – trotz Thomas’ Reserviertheit und seiner Ungeduld, nach London zurückzukehren und seine Suche nach Wynkyn de Wordes verfluchter Schatulle wieder aufzunehmen. Thomas hatte von den Engeln erfahren, dass in der Schatulle der Schlüssel zu finden sei, mit dessen Hilfe die Dämonen, die sich unter die Menschen gemischt hatten, wieder in die Hölle verbannt werden konnten. Als ehemaliger Mönch und Diener Gottes hatte sich Thomas ganz der Aufgabe verschrieben, die der Erzengel Michael ihm gestellt hatte, und war fest entschlossen, die Schatulle zu finden und seine Mission zu erfüllen. Margaret musste es gelingen, die harte, kalte Schale zu durchdringen, von der Thomas umgeben war, seit er nach dem furchtbaren Selbstmord seiner Geliebten Alice in die Kirche eingetreten war. Sie musste Thomas’ Liebe erringen, bevor er die Schatulle fand.
    Doch den Weg zu seinem Herzen hatte sie bislang noch nicht gefunden, obwohl sie sich in den letzten Monaten die größte Mühe gegeben hatte.
    Oft war sie mit Thomas morgens durch die klaren Bäche gewatet oder am Mittag das sumpfige Ufer der Flussmündung entlanggeritten, während sich um sie herum die Fischreiher unter lauten Rufen in die Lüfte erhoben hatten. Nachmittags waren sie auf die Felder hinausgegangen, auf denen am Ende der Erntezeit geschäftiges Treiben herrschte, und am Abend hatten sie gemeinsam mit den Bauern des Landguts und ihren Familien um die Erntefeuer getanzt. Sie hatten viel miteinander gelacht und waren sich sogar hin und wieder sehr nahe gekommen, wenn sie sich in den langen, warmen Nächten in ihrem Schlafgemach geliebt hatten.
    Und manchmal war Margaret im Morgengrauen aufgewacht und hatte sich noch halb im Schlaf gefragt, ob sie ihr
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