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Vertrau mir

Vertrau mir

Titel: Vertrau mir
Autoren: Julia Arden
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haben meine Akte nicht gelesen? Schlechte Vorbereitung, Frau Kommissarin.«
    Es war nur eine kleine Stichelei. Trotzdem fühlte Maike sich auf den Schlips getreten. Obwohl es nicht in ihrer Absicht lag, fiel ihre Antwort barsch aus: »Ich kann mich nicht mit der Lebensgeschichte aller Vorbestraften in diesem Fall beschäftigen. Ich weiß, was ich wissen muss. Dass sie der radikalen Tierschützerszene angehörten, dass Sie ein Menschenleben auf dem Gewissen haben, dass Sie dafür im Gefängnis waren und dass Sie nun hier zurückgezogen leben.«
    »Das haben Sie sehr schön zusammengefasst«, kommentierte Anna trocken.
    Maike tat, als überhörte sie den sarkastischen Unterton. »Sie kennen aus Ihrer Vergangenheit sicher Leute, denen Sie eine Entführung zutrauen. Nennen Sie mir Namen«, forderte Maike energisch.
    »Wenn ich so charmant gebeten werde.« Anna Ravensburg sah Maike unverändert ruhig an. Ihre lässige Haltung demonstrierte, dass sie all die versteckten Vorwürfe zur Genüge kannte. Mit Vorurteilen und Anschuldigungen hatte sie leben gelernt. Sie forderten keine Abwehr, keine Wut mehr heraus.
    »Entschuldigung«, murmelte Maike etwas verlegen, als sie sich jetzt ihres unhöflichen Tones bewusst wurde.
    Dass Maike Roloff es zu einer Entschuldigung brachte, überraschte Anna. Diese Kommissarin war voller Ehrgeiz. Das stand außer Zweifel. Die wenigen Worte, die sie miteinander gewechselt hatten, genügten Anna, um dies zu erkennen, und sie wusste, das Gespräch mit Maike würde anstrengend werden.
    »Das Ganze ist nicht so einfach, wie Sie denken«, versuchte Anna zu erklären. »Die Gewaltgrenze, welche die einzelnen radikalen Tierschutzgruppen als Messlatte anlegen, ist sehr unterschiedlich. Doch grundsätzlich gilt, dass direkte Gewalt gegen Menschen normal nicht als Alternative akzeptiert wird. Aber natürlich kann niemand vereinzelte Verstöße gegen diese Regel ausschließen.«
    »So wie bei dem Brandanschlag, den Ihre Gruppe damals beging. Damals wurde ein Mensch tödlich verletzt«, erinnerte die Kommissarin Anna überflüssigerweise.
    »Das war ein Unfall. Wir wussten nicht, dass ein zweiter Nachtwächter in dem Nebenlabor war, als wir den Brandsatz warfen. Ich habe die Verantwortung dafür übernommen.«
    »Das macht den Mann nicht wieder lebendig.«
    »Danke, dass Sie mich daran erinnern.« Als hätte sie sich das nicht schon tausendmal selbst gesagt , dachte Anna . Die Ereignisse, die zum Tod des Mannes führten, würden für immer in ihrer Erinnerung haften bleiben. Doch sie konnte sie nicht ungeschehen machen, nur die Konsequenz daraus ziehen, und das hatte sie getan. Vor zwei Jahren, als sie aus der Haft entlassen wurde, kehrte sie der radikalen Szene den Rücken. Mit ihrem Ausstieg machte Anna sich eine Menge Feinde. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns  – dieses Motto hatte sie selbst gepredigt, und sie hatte gelehrige Schüler. Anna wohnte damals in einem Haus in der Stadt. Haustür und Wände waren bald mit Graffitis von wenig schmeichelhaftem Charakter übersät. Fensterscheiben wurden immer wieder eingeworfen, die Reifen ihres Autos mehr als einmal zerstochen, der Lack zerkratzt. Die Versicherung wollte die Kosten für Reinigungen und Reparaturen bald nicht mehr übernehmen. Für eine Klage gegen die Gesellschaft hatte Anna kein Geld mehr. Das war für eben diese Reparaturen draufgegangen. Ihr blieb nichts anderes, als die Wohnung aufzukündigen. Sie mietete eine Garage, wo sie ihre Sachen unterstellte, und zog einige Wochen von Unterkunft zu Unterkunft. Billige Herbergen oder Zimmer zur Logis in der Umgebung. Zufällig stieß sie dabei auf den alten, ziemlich verfallenen Bauernhof, der zum Verkauf stand und der nun Annas Zuhause war. Für die Anzahlung und die ersten Renovierungen schuftete Anna zehn Monate rund um die Uhr in irgendwelchen Gelegenheitsjobs. Sie baute einen Teil der Stallgebäude zu Tierunterkünfte um und wandte sich an verschiedene Tierheime, denen sie den Hof als Außenstelle anbot. Erfreulicherweise stieß ihr Projekt auf reges Interesse. Auf diese Weise hielt sie sich mehr schlecht als recht über Wasser. Und das Letzte, was sie brauchte, war eine neunmalkluge Kommissarin, die daherkam und ihr ihre alten Fehler unter die Nase rieb. Mit dieser Zeit hatte Anna abgeschlossen. Ein für alle Mal.
    »Der Tod des Mannes war, wie gesagt, ein Unfall«, betonte Anna noch einmal. »Ich lehne Gewalt in dieser Form ab. Allerdings gab es in meiner Gruppe zwei, die meinten,
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