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Vertrau mir! - Thriller

Vertrau mir! - Thriller

Titel: Vertrau mir! - Thriller
Autoren: Heyne
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los.« Er räusperte sich, so als wollte er jetzt einen Vortrag halten. Es schien ihm schwerzufallen, Luke anzusehen. »Außer dir ist der Thinktank mein Leben. Komm und arbeite für mich. Ich würde dir den Thinktank gern eines Tages übergeben.« Die letzten Worte kamen fast hastig.
    »Henry, wow. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Er war gerührt und fühlte sich geehrt durch das Angebot. Henry war schon ein schrulliger Kerl; er steckte seine ganze Energie in seine Forschungen, er dachte endlos über die politischen Trends in der Welt nach, saß stunden- und tagelang über seinen Büchern, doch er war der einzige nahe Verwandte, den
Luke hatte. Eine Welt ohne Familie war ein einsamer Ort, und Luke dachte sich, dass sie für Henry unerträglich einsam gewesen sein musste, bevor er Lukes Mutter geheiratet hatte. Er und sein Stiefvater hatten es nicht immer leicht miteinander gehabt, aber er zweifelte nicht daran, dass ihn Henry auf seine Weise liebte.
    Auf dem Bildschirm erschien ein weiterer Beitrag: Stimmt genau, was wir in Amerika brauchen, ist eine schöne schmutzige Bombe, die im Beltway hochgeht und dort reinen Tisch macht, dann wird der Potomac zu einem Klo für den ganzen menschlichen Abfall in DC, und wir können neu anfangen. Noch ein Irrer, der beachtet werden wollte. Eine schöne schmutzige Bombe, im Gegensatz zu einer hässlichen schmutzigen Bombe. Diese Leute ließen ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    »Mein Gott«, sagte Henry entgeistert. »Das ist auch ein Grund, warum ich möchte, dass du für mich arbeitest. Du kannst etwas bewegen. Sag ja. Bitte, Luke. Bitte.«
    Eine Bitte auszusprechen, passte nicht zu Henrys Art, und Luke war augenblicklich von Dankbarkeit erfüllt. »Ich werd mal drüber schlafen. Erst sehe ich mich heute Abend noch ein bisschen auf der Night Road um.«
    »Alles klar. Ich muss ein paar Telefonate führen, dann gehen wir irgendwohin essen.« Sein Stiefvater klopfte ihm auf die Schulter und ging hinaus in das Gästezimmer der Wohnung.
    Luke wandte sich wieder dem Computer zu und sah acht weitere scharfe Kommentare vor sich. Er lächelte über den Hass, der da aus den Zeilen triefte. Er gestand es sich nur ungern ein, aber es machte fast süchtig, Leute mit derart starken Überzeugungen anzustacheln. Er fragte sich, ob es ihm bei allen Sorgen, die ihm das Ganze bereitete, nicht doch schwerfallen würde, diese Arbeit eines Tages aufzugeben. Hinter der
Maske des Internets war er ein Radikaler, ein Unruhestifter, ein Kerl, der keine Gefangenen nahm. Gar nicht der besonnene Akademiker, der auf seiner Tastatur herumtippte und sorgfältig überlegte, mit welchen Worten er welche beängstigenden Reaktionen auslösen konnte.
    Luke ging ins Badezimmer und duschte erst einmal. Während er sich das Shampoo ins Haar einmassierte, dachte er an die Tausenden von Leuten, mit denen er zu tun hatte - die so zornig und verbittert waren, so zweifelsfern in ihrem Hass, dass sie keine moralischen Grundsätze mehr kannten. Das Web verband sie alle miteinander über die elektronischen Fäden, die das Land umspannten, und er hatte das ungute Gefühl, jederzeit von den Leuten, die er die Night Road nannte, aufgestöbert und als Schwindler entlarvt werden zu können.
     
    Luke hasste Flughäfen. Er hatte seinen Vater zum letzten Mal vor zehn Jahren auf dem Dulles International Airport gesehen. Und immer, wenn er in die Weiträumigkeit eines Flughafengebäudes eintrat, dachte er an seinen Vater, wie er den Arm im dunklen Anzug zum Abschiedsgruß hob, während Lukes Kleider noch zerknittert waren von der Umarmung.
    »Gute Reise, Dad«, hatte er gesagt.
    Sein Vater war ein ansehnlicher Mann mit kurzgeschnittenem Bart, vollem grau meliertem Haar und durchdringenden blauen Augen. »Ich bin bald wieder zurück. Pass auf deine Mutter auf.«
    »Mach ich.«
    »Soll ich dir ein paar Fische mitbringen? In der Hosentasche?« Es war ein alter Scherz zwischen ihnen, nachdem Luke mit fünf Jahren einmal einen Flussbarsch gefangen und einfach eingesteckt hatte. Sie verbrannten seine Shorts, nachdem der Fisch einige Stunden in der Hosentasche gewesen war.

    »Nein. Mom wäre ziemlich sauer.«
    »Mom kauft dir einfach neue Kleider«, hatte seine Mutter mit einem Lächeln gesagt und seinen Vater am Arm berührt.
    Dann hatte sein Vater ihm das Haar zerzaust. »Ich werde dich jede Sekunde vermissen.«
    »Muss nicht sein«, meinte Luke. Damals war er vierzehn, und elterliche Zuneigung in der Öffentlichkeit fand er
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