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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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zu mir dar: Es altert ebenfalls und ist über seine besten Jahre bereits hinaus; es enthält moderne Einsätze, so wie auch mein Körper kleine Röhren und andere Dinge aus Plastik aufweist, Ausbesserungen und Ersatzteile.
    Ich entdeckte das windschiefe und herrenlose Haus, als ich gerade begonnen hatte, beim Projekt mitzuarbeiten und mich auf die Suche nach einer Unterkunft machte, in der ich angenehmer wohnen konnte als an Bord der Ilium. Das Haus ist uralt, stammt noch aus der Epoche vor der Formung und ist aus dem Holz der Eibensequoien erbaut worden, die es heute nicht mehr gibt. Es besteht aus einer Reihe von Kuben und Rechtecken, steht direkt am Rand des Felshanges und ragt gefährlich weit darüber hinaus, so daß es zum Teil über der Brandung schwebt. Daß es nicht bereits vor Äonen einges türzt ist und vom Meer verschlungen wurde, ist einem Unsterblichen zu verdanken. Das Gebäude erregte zufällig seine Aufmerksamkeit, und er stabilisierte es mit einigen Kraftfeldern und einer Reihe von häßlichen Plaststahlpfählen. Dann gab er es wieder auf, als er das Interesse daran verlor. Die Fähigkeit dieses Hauses, sowohl dem nagenden Zahn der Zeit als auch dem verheerenden Einfluß inkompetenter Renovierungsarbeiten zu widerstehen, hatte es mich liebgewinnen lassen. Ich machte den Eigentümer ausfindig, der damals ein Bordell in Gagarin führte. Und nachdem ich einige Mühe hatte, ihn daran zu erinnern, daß das Haus nach wie vor ihm gehörte, gelang es mir, es von ihm zu erstehen.
    Darüber hinaus kaufte ich zwei Quadratkilometer des umgebenden Landes, und wenn ich nicht auf Reisen war, dann verbrachte ich den Großteil meiner Zeit mit der Renovierung. Ich ließ neue Fundamente einsetzen, verankerte das Gebäude wieder fest im Untergrund und entfernte die abscheulichen Stützbalken. Dann nahm ich Kontakt mit einer Firma in Afrika auf, die sich auf die seltenen Hölzer nicht mehr existierender Baumarten spezialisiert hatte, und die Leute entwickelten etwas, das dem echten Rotholz genug ähnelte, um selbst einen Experten zu täuschen. Ich sägte, hämmerte, hobelte und meißelte, bis die Architektur des Hauses dem ursprünglichen Original so nahe wie möglich gekommen war. Ich kaufte alte Kannen und setzte Pflanzen hinein. An einigen Fenstern brachte ich dicke Vorhänge an, in andere setzte ich antikes Polarisationsglas ein. Ich ließ mir von Webern Teppiche nach alten Mustern anfertigen und kaufte mir Massivskulpturen und vergilbte Gemälde.
    Außer mir gefällt das Haus natürlich niemandem. Die Wände sind fest und stehen unverrückbar; sie setzen sich nicht in Bewegung und gleiten fort, kaum daß man einen Sensor berührt. Sie sind real, stabil, solide, gut. Beim Mobiliar handelt es sich um Mobiliar, nicht um unsichtbare Kraftfelder, die sich haargenau der Körperstatur ihres Benutzers anpassen. Man muß meinen Möbeln Zugeständnisse machen. Man muß Kompromisse mit ihnen schließen, eine Übereinkunft erzielen. Mein Bett wird sich genausowenig auf einen ausgesprochenen Wunsch hin in einen Tisch verwandeln wie der Kamin (ja, ein richtiger Kamin, und ich verbrenne richtiges Holz darin, in richtigem Feuer) in einen Sessel. Alles solide, so wie ich. Alles fest verwurzelt in der Realität seiner eigenen Existenz.
    Natürlich ist das alles Trotz. Ich mache aus meinem Haus ein Abbild meiner eigenen Monstrosität und rede mir ein, Scheußlichkeit sei eine tolle und großartige Sache. Doch es hilft, und wer bin ich schon, daß ich auf den Trost von Selbsttäuschungen verzichten könnte?
     

6
     
    Nach dem zweiten vergeblichen Versuch mit den Immortalitätsbehandlungen hatten sie mich in der Klinik behalten wollen. Sie wollten, daß ich dort bliebe, wo sie mich jederzeit testen und durchleuchten und immer wieder untersuchen konnten. Aber mir lag nichts an einem fortgesetzten Aufenthalt, und sie waren nicht in der Lage, mich dazu zu zwingen – obwohl sie einmal damit drohten, mich vor den Rechts- und Schiedsrat in Bern zu zitieren. Doch das Gesetz lautet schlicht und einfach: „Niemand soll verletzen oder betrügen oder eine andere Person dazu verleiten, zu verletzen oder zu betrügen.“ Punktum. Es gab keine Möglichkeit für sie, dies so zu verdrehen, um mich dabehalten zu können, als einzigen Insassen ihres neuen Zoos. Und so ging ich rasch fort, bevor Paul benachrichtigt werden konnte, und ich durchstreifte das Antlitz der Erde. Vier Tage in Instanbul, acht Tage in Australien, zwei Tage in Beijing, eine
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