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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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Jahren, als ich ein wenig benommen und elend die Bibliothek auf Luna durchwanderte, habe ich mich mit einer angenehmen Träumerei unterhalten. Ich stellte mir vor, ich würde erneut das Behandlungszentrum im südlichen Afrika betreten und ein lächelnder Einweiser betätigte eine verborgene Taste, woraufhin sich mitten im Raum ein Bild zu formen begann. Das Bild einer lachenden Frau mit glatter, bronzefarbener Haut, erfüllt von der Kraft der Jugend. Und da meine Leidenszeit nun vorüber war, würde man mir gestatten, erneut zu dieser Frau zu werden. Als ich in jener ersten Nacht von Pauls Besuch auf mein Spiegelbild in dem dunklen Fenster starrte, erinnerte ich mich an diese törichte, aber so verlockende Illusion, schenkte dem realen Bild ein grimmiges Lächeln und ging zu Bett.
     

4
     
    Paul stand früh auf und kam zu mir in meinen Sandgarten, wo ich ein wenig herumwerkelte und dem robusten Strandhafer unnötige Pflege angedeihen ließ. Er brachte mir eine Tasse Kaffee, und ich unterbrach die Arbeit, um mich mit ihm zu unterhalten.
    Nein, er hatte sich überhaupt nicht verändert. Nackt und ungezwungen räkelte er sich auf der steinernen Bank, gestreichelt von der morgendlichen Brise. Ich war natürlich angezogen. Das erstaunte meine Kollegen ebenso wie mein ergrauendes Haar und faltig gewordenes Gesicht. Ich warf einen raschen Blick auf Pauls Körper, dann neigte ich den Kopf, konzentrierte mich auf die altertümliche, tönerne Tasse in meiner Hand, und er sprach mich auf unseren Atlantisfund an.
    „Nein, du bringst die Sagen durcheinander“, erklärte ich ihm. „Es ist Hawaii, ein Teil der Inselgruppe, die während der Großen Formung versank. Interessant, ja, aber nicht Atlantis.“
    Paul zuckte mit den Achseln und lächelte. Was wußte er schon von Atlantis? „Und du suchst nach …?“
    Jugend, war ich versucht, ihm zu antworten. Ich suche nach dem Jungbrunnen, dem Stein der Weisen, um Blei in Gold zu verwandeln. Oder in Bronze.
    „Nach allem“, sagte ich. „Häusern, irgendwelchen Unterlagen, die überdauert haben, Kunstgegenständen. Manchmal finden wir einen alten, wasserdichten Safe voll von Papieren und anderen vergänglichen Dingen. Maschinen, Werkzeuge, Juwelen. Einzelteile und Bruchstücke aus dem Leben anderer Menschen.“
    Er schien wirklich interessiert. Und das konnte man natürlich auch erwarten. Jenny und er nahmen einiges auf sich, um drei Monate lang mit uns unter der nassen Decke des Meeres zu arbeiten.
    „Was habt ihr gefunden?“
    „Dies und das. Das meiste davon wirst du noch heute vormittag zu Gesicht bekommen, wenn wir zum Schiff runter fahren. Bisher ist es noch nicht allzuviel, und richtig eingeordnet ist es auch noch nicht. Aber es wird euch eine ziemlich gute Vorstellung davon geben, wonach wir Ausschau halten, wenn wir erst unter Wasser sind.“
    Er nickte und lächelte noch immer. Sein fester Blick verunsicherte mich. Ich sah zur Seite, über den Rand des Felshanges hinaus und auf die dahinrollenden Wogen. Das Festland war wie Flaum am Horizont. Die während der Nacht herangezogenen Wolken hatten sich mit der Morgendämmerung aufgelöst; jetzt war der Himmel tiefblau und die Luft vollkommen klar. Weit draußen segelten und kreisten Seevögel, und ich vernahm ihr leises Krächzen, das vom Rauschen der Wellen durchtränkt war.
    „Und du, Tia?“
    „Hm?“
    „Wie ist es dir ergangen? Es war eine lange Zeit.“
    „Ja, das war es“, gab ich schroff zurück. „Danke, es ging mir gut. Ist Jenny auf? Es ist Zeit zum Frühstück. Und ich sollte euch schon früh zum Dock bringen. Tobias wird dort unten auf uns warten.“
    „Ich sehe nach“, entgegnete er, kam auf die Beine, streckte sich und lief zum Haus zurück.
    Ich widerstand der Versuchung, ihm nachzusehen und beugte mich statt dessen zu meinen Pflanzen hinab. Ja, wie war es mir ergangen? Was erwartete er denn eigentlich in dieser Hinsicht? Wollte mich dieser junge Unsterbliche auf den Arm nehmen? Machte er sich über meine Gefühle lustig?
    Oder war er nur höflich?
    Oder nichts von alldem. Oder alles. Oder, Tia, du wirst paranoid. Ich verließ meinen Garten und ging ins Haus zurück, um das Frühstück vorzubereiten.
     

5
     
    Ich mag meine Küche nicht. Als ich das Zimmer neu einrichtete, habe ich versucht, die Geräte einzubauen, aber sie stören noch immer: Die Kühleinheiten und Aufbereiter und Garer ragen mit bizarrer Trostlosigkeit in die gemessene Würde meines Heims hinein. Das Haus stellt eine Analogie
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