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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Autoren: Miklós Bánffy
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Gedeih und Verderb verliebt sei. So ließ er bitter-traurige Lieder spielen, während er immer wieder zu dem erhellten Fenster hinaufblinzelte, und mit seiner seitwärts gekippten, spechtartigen Nase wirkte er wie die vorzüglichste Verkörperung der Liebessehnsucht.
    Die Köchin im Nachbarhaus brachte gerade ihren Soldaten durch das Gittertor hinaus. Die beiden blieben stehen, als sie die schöne Musik hörten, und duckten sich hinter der gemeißelten Torsäule. Die Polizisten wollten sie erst barsch anfahren, doch da sie sahen, dass sie im Dunkel stehen blieben und nicht störten, ließen sie von ihnen ab.
    Nach Beendigung der Serenade machten sie sich auf den Weg in Richtung Monostor. Bis zur Villa Uzdy waren drei- bis vierhundert Meter zurückzulegen, was in Klausenburg als eine große Distanz gilt, aber kein Opfer ist zu schwer, das ein liebendes Herz seiner Angebeteten nicht bringen würde. Unter jenen, welche die Serenade veranstalteten, hegten gleich drei solche Gefühle für die Frau des Pál Uzdy, die geborene Adrienne Milóth: Ádám und Pityu schon seit langem, was allgemein bekannt war, doch neuerdings auch Onkel Ambrus, obwohl er es höchst sorgsam verheimlichte. Er war bisher ein Mann der leichten Frauenerfolge gewesen. Mit seiner Habichtnase und dem krummen, braunen Schnurrbart verkörperte er jenen Typus der Männerschönheit, vor dem die Dienstmädchen bei Begegnungen auf der Treppe einknickten. Ihm ging es stets gut, wiewohl seine Eroberungen gar keine echten Erfolge waren, sondern halbstündige Abenteuer von der Art des »Machen wir’s rasch«, zu dem es bloß der Gelegenheit und eines Kanapees bedurfte. Sein Herz hatte seit seinen Flegeljahren für niemanden je schneller geschlagen, und er war bisher im Glauben gewesen, jede Frau, nach der es ihn gelüstete, sofort bekommen zu können. Freilich traf es zu, dass er bei jenen, die mit ihm nicht anbändelten, niemals einen Versuch machte.
    Adrienne hatte er bisher nicht einmal wahrgenommen. Seit Jahren besuchten sie die gleiche Gesellschaft; er hatte mit ihr unzählige Male getanzt und nahm das Nachtmahl in ihrer Nähe ein, doch mit ihrem stets mädchenhaften Äußeren, dem mageren Hals und den frostig abweisenden Manieren, mit denen sie alle zweideutigen Reden von sich fernhielt, interessierte Adrienne Onkel Ambrus nicht. Unbewusst spürte er wohl, dass sie noch keine ganze Frau war, mochte sie auch Mann und Kind haben, er spürte, dass sie anders sein musste als die Frauen, an die er sich gewöhnt hatte. Bisher hatte er darum Ádám Alvinczy und Pityu Kendy, die in sie offenkundig verliebt waren, für Esel gehalten. Dies hatte sich aber jetzt, beim diesjährigen Fasching, als er Adrienne wiedersah, jäh verändert.

    Worin Adrienne anders war als bisher, lässt sich kaum ausdrücken. Sie hatte auch zuvor eine kühle Koketterie gepflegt, sie liebte es, ihre Verehrer zu necken und manchmal auch ein wenig leiden zu lassen. Eigentlich spielte sie mit ihnen, als wären es gefühllose, aber vergnüglich unterhaltsame Puppen. Es war ein unbewusstes, rein instinktives Spiel, so wie die Riesenprinzessin im Märchen die Zwerge in ihre Schürze wirft und nicht einmal ahnt, dass auch sie fühlende Menschen sind. Adrienne hielt die Männer in strenger Zucht. Sie duldete kein schlüpfriges Wort und weder eine verhüllte Anspielung auf Sehnsüchte und Küsse noch eine direkte Schmeichelei oder Andeutung, die ihrer Haut, ihrem Körper oder ihrer Schönheit galt. Dies blieb auch jetzt so. Doch wie wenn es in ihr nun mehr Mitleid gegeben hätte, irgendein weicheres, von mehr Wissen getragenes Verständnis, und obwohl sie weiterhin alles, was sich auf Geschlechtliches bezog, unter Verbot stellte, schien diese Verfügung nun doch nicht aus Unkenntnis der Liebe zu stammen wie zuvor, vielmehr glaubte man zu spüren, dass sie die Liebe für größer und heiliger hielt, als dass man über sie mit profanen Lippen sprechen dürfte.
    Ihre Hofmacher galten, versteht sich, auch jetzt bloß als Puppen, doch nicht mehr als gefühllose Gegenstände, sondern als Wesen niedrigerer Art ohne jede Ahnung, worüber sie wirklich sprachen; litten sie, dann war ihr Leiden bloß winzig, empfanden sie Sehnsucht, dann handelte es sich um kleinliche, banale Wünsche, sie waren zu bemitleiden, ihre Klagen hatte sie sich anzuhören, sie sogar mit dem einen oder anderen Satz zu trösten, doch die Leute ernst nehmen?! … Was wussten sie davon, was sie wusste und durchlebt hatte?
    Was wussten
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