Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
sie von dem, was sie im vergangenen Sommer während des kurzen Monats erlebt hatte, als sie ihre Schwestern nach Venedig begleitete; während der vier Wochen, wo sie sich bei jedem Tagesanbruch einen Schritt dem Tod näherte. Sie ging ihm mit erhobenem Haupt und glücklich geradewegs entgegen, als brächte sie in der reichen Verzauberung ihrer erfüllten Fraulichkeit ihr Herz in den Händen zum fröhlichen Opfer dar. Dass sie sich vor der Rückkehr nicht umbrachte, wie sie geplant hatte, sondern zurückkam zu ihrem Mann, den sie fürchtete und hasste, dass sie das Leben mit ihm fortsetzte, dies bedeutete für sie ein Opfer. Es war der Preis, den sie entrichten musste, um ihren Liebhaber dem Leben zu erhalten. Den eigenen Tod hätte sie gern in Kauf genommen, den Tod ihres Geliebten durfte sie aber nicht verursachen. Und er hätte sich umgebracht, wenn sie in den Tod gegangen wäre. Darum also kehrte sie zurück – mit Erinnerungen in der Seele, die, wie sie meinte, alle Schmerzen und jedes Glück in ihrem Leben enthielten, Wollust ebenso wie den Tod. Im Besitz dieses Geheimnisses wurde in ihren Augen alles andere grau und alltäglich, billig und armselig. Sie hörte darum mit einem verständnisvollen, aber ein wenig mitleidigen Lächeln zu, wenn Ádám Alvinczy oder István Kendy, das heißt Pityu, ihr die ihretwegen durchlittenen Leiden in langen Klagen vortrugen; sie behandelte sie wie Kinder, die man tröstet, wenn sie sich die Stirn irgendwo angeschlagen haben.
    Von dem in Venedig durchlebten Drama ahnte vermutlich nur ihre kleine Schwester etwas, Margit Milóth, doch blieb das auch bei ihr eine Ahnung, denn das Mädchen, wiewohl eine große Beobachterin, wusste nichts, und andere schon gar nicht. Auch in Adriennes Äußerem hatte sich kaum eine Änderung vollzogen. Ihre Gestalt blieb schlank und streng gezeichnet wie die von archaischen griechischen Statuen. Doch ihre Arme hatten sich gerundet, und das Grübchen über ihrem Schlüsselbein – es hatte sie bisher, wenn sie ein Abendkleid trug, so mädchenhaft gemacht – war nun ausgefüllt; die Elfenbeinhaut glänzte noch glatter nach der Art jener, die wirklich zu Frauen geworden sind: als strahle ein durchsichtiges Licht unter der Haut hervor. Auch hüllte sie sich nicht mehr nach der Art magerer Mädchen in ihre Boa oder in ihr Tuch, wie sie das früher getan hatte, wenn sich der Blick eines Mannes zu ihrem Hals verirrte; nun ließ sie leicht verächtlich zu, dass man sie bewunderte, denn schöne Frauen tragen die Begehrlichkeit ihrer Schultern wie Waffen. So wie die Ritter einst ihren silbernen Panzer trugen.
    So klar erkannte all dies niemand; Ádám und Pityu waren bloß noch verliebter; auch Onkel Ambrus verspürte es nur instinktiv, und er begann ihr den Hof zu machen. Er meinte, er werde alsbald sein Ziel erreichen. Den Anfang machte er vorerst mit seiner üblichen, absichtlich bäurischen Methode, als ihn aber Adrienne gleich zurechtwies, versuchte er es auf die andere Art: unterwürfig und gefühlsduselig. Er legte gegenüber Frau Uzdy seine bisherigen Umgangsformen ganz ab. Er gestaltete jetzt die Rolle des Komondors, des anhänglichen Schäferhundes, freilich tat er dies nur Addy gegenüber, denn sonst – nur schon wegen seines Ansehens – musste er seine bisherige Pose bewahren, den Ruf des jede Frau unterjochenden, die Weiber verschlingenden Mannes. Deshalb ließ er vor seinen Trabanten hie und da ein Wort so fallen, dass diese glauben sollten, er bemühe sich um die »feine kleine Frau« nicht vergeblich.
    Das Hauptgebäude der Villa Uzdy stand allein vor einem größeren Vorgarten, die Gesellschaft aber, welche die Serenade darbrachte, bog hinter das Haus ab, denn Adrienne bewohnte den Flügel im hinteren Halbstock. Sie zogen beinahe bis zur Hausecke, wo sie sich dann niederließen, denn das Schlafgemach der Frau, wie sie zu wissen meinten, befand sich hinter dem letzten Bogen des verglasten Korridors.
    Auf Zehenspitzen schleichend kamen alle daher; flüsternd trafen sie ihre Anordnungen, und selbst der Bassgeiger achtete äußerst darauf, dass sein Instrument ja nicht aufschlug, denn das Serenadengesetz schrieb vor, dass keinerlei Lärm, erst die Musik das schlafende Haus wecken durfte. Sie luden also höchst vorsichtig den Tisch und die Stühle ab, stellten die Gläser, den Champagner und auch den Cognac darauf, und erst als all dies getan war und sie um den Tisch saßen, kam die Reihe ans Musizieren.
    Die jungen Herren hatten bereits
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher